Der Tag an dem ich cool wurde
wurde gerade mit großem Hallo in die Gruppe aufgenommen und Karli schlug die Mundorgel auf.
»Hier kann ich den Text üben«, sagte er. »Da sind keine hübschen Mädchen, vor denen man sich blamieren könnte.«
Also machten Papa und ich uns auf in die Innenstadt. »Zuerst zum Augenarzt oder zum Hautarzt?«, fragte Papa. Ich war schon zweimal haarscharf einem Zusammenstoß mit einer Laterne entkommen. Da fiel die Wahl nicht schwer. »Augenarzt«, entschied ich.
Papa betrachtete mich und seufzte.
»Dich hat es ja wirklich böse gebeutelt«, sagte er. »Und ich bin auch noch schuld. Ich meine, ich habe vergessen, deine Ersatzbrille einzupacken. Und irgendwie war das mit dem Sonnenöl wohl auch keine gute Idee.«
»Mama hätte das gewusst«, sagte ich.
»Vielleicht kann ich es ja wiedergutmachen«, sagte Papa. »Ich weiß auch schon, wie!«
Mehr wollte er aber nicht verraten.
Die Untersuchung ging schnell und war auch nicht anders als zu Hause. Ich las Zahlen und Buchstaben vor, der Arzt guckte durch ein Gerät auf das Auge, dann war ich fertig. Papa und der Arzt unterhielten sich auf Französisch, während ich mich kratzte.
Dann verschwand der Arzt hinter einer Tür. Ich hörte, wie er mit jemandem sprach.
»Ich habe dir doch gesagt, dass ich eine Überraschung für dich habe«, sagte Papa.
Ich nickte.
»So eine Brille ist ja wirklich unpraktisch, wenn man so dicke Gläser hat. Und mal ehrlich«, er grinste, »besonders schön war sie ja auch nicht. Da habe ich mir gedacht, wo ich doch so viel verbockt habe, ich meine, mit deinen Sonnenbrandblasen und der verlorenen Brille und Mama ist nicht da und alles, na ja, ich dachte, ich kaufe dir Kontaktlinsen. Was meinst du?« Ich kratzte mich am Ohr. Hörte ich richtig?
Was ich meinte? Na, was sollte ich wohl meinen? Mein Papa war gerade zum coolsten Papa der Welt geworden! Obwohl er beleibt ist und ein Hasenfuß.
»Super!«, jubelte ich.
Da kam auch schon der Arzt zurück, mit einem Päckchen in der Hand. Nun musste ich üben, wie man die Linsen ins Auge setzt. Es dauerte eine Weile, aber der Arzt war geduldig. Ich konnte es kaum fassen, als er mir einen Spiegel hinhielt. Ich sah richtig cool aus (wenn man von den Blasen absah). Irgendwie ähnelte ich jemandem... vielleicht sah ich ohne Brille ein bisschen aus wie... genau, der eine Typ von den »Wilden Kerlen«, nur mit blauen Augen.
»Sieht gut aus«, sagte Papa. »Todschick, würde Mama sagen.«
Er zwinkerte mir zu.
Ich fühlte mich großartig.
Auf der Straße kamen uns eine Menge Leute entgegen. Keiner guckte doof. Und das Beste war: Eine Mutter ging mit ihrer Tochter vorbei und die guckte mich an. Ich schwöre, sie guckte mich an, und nicht irgendwie komisch, sondern... anders als sonst, irgendwie... ja, genau. Bewundernd. Jimi Blue, dachte ich, zieh dich warm an!
Wir gingen dann noch in eine Hautarztpraxis.
Der Arzt war eigentlich eine Ärztin.
»Oh«, sagte sie mit französischem Akzent, als sie mich sah, und zog die Augenbrauen hoch. »Da hat jemand eine Sonnenallergie.«
Sie gab mir eine Creme und hielt Papa einen Vortrag darüber, wie man sich richtig vor der Sonne schützt und dass das mit dem Sonnenöl keine gute Idee gewesen war.
Die Ärztin betrachtete meine pusteligen Arme.
»Das muss ganz schön wehtun«, sagte sie mit einem vorwurfsvollen Blick auf Papa.
»Och nö«, sagte ich.
Ich war ein Junge mit coolen blauen Augen und kein Hasenfuß.
Papa sah mich an. Dann holte er tief Luft.
»Da wäre noch was«, sagte er und schaute die Ärztin an. »Ich habe da ein Tattoo auf dem Arm, das würde ich gerne entfernen lassen.«
Ich konnte es kaum glauben. Papa traute sich was! Er musste wirklich ein sehr schlechtes Gewissen haben. Oder Mama sehr lieben.
Er rollte seinen Hemdsärmel hoch. Die Ärztin grinste, als sie Rosi und die Rosi-Rosen sah. Dann sagte sie, man könne das Ganze in drei, vier Sitzungen erledigen, und schlug gleich einen Termin vor. Papa zuckte nicht einmal zusammen und war einverstanden, schon am nächsten Tag zu beginnen. Mir war aber auch schnell klar, warum er den Helden spielte. Die Ärztin war noch ziemlich jung und sah aus wie ein Model. Papa lachte ziemlich dämlich und tat groß, er freue sich darauf, Rosi endlich vom Arm zu kriegen.
»Ganz angenehm wird das aber nicht«, sagte die Ärztin. »Ach was«, sagte Papa und machte eine wegwerfende Handbewegung, »Schmerzen machen mir nichts aus. Ich bin da ganz unempfindlich!«
Dabei guckte er die Ärztin sehr
Weitere Kostenlose Bücher