Der Tag, an dem John Dillinger starb
überhaupt etwas?«
»Seitdem Fallon mir die Ansichtskarte gezeigt hat, auf der du vor deinem Hotel stehst, bin ich auf magische Weise nach Hermosa gezogen worden. Deine Sorgen sind auch meine, Rose.«
Sie betrachtete ihn ernst. »Du könntest noch umkehren.«
Dillinger schüttelte den Kopf. »Ich gebe nichts auf, was ich einmal angefangen habe. Ein alter Aberglaube.«
»Aber danach willst du nach Nordamerika zurück, stimmt’s?«
»Wahrscheinlich. Dort bin ich zu Hause.«
»Warum wird nach deinem Auto gefahndet? Du scheinst daheim nicht sonderlich beliebt zu sein.«
»Doch, doch, alle sind ganz wild nach mir!« versicherte er ihr lachend. »Meine Freunde, aber auch meine Feinde.«
Er wollte sich eine Zigarette anzünden, aber Chavasse rief ihm halblaut zu: »Kein Licht! Das können wir uns nicht lei sten.«
Dillinger steckte die Zigarette wieder ein. »Wie nahe sind wir ihnen wohl gekommen? Wir haben bestimmt über zwanzig Meilen zurückgelegt.«
»Nachita glaubt, daß sie Späher ausgeschickt haben, um die Hügel beobachten zu lassen. Vielleicht noch eine Stunde, vielleicht zwei? Wer weiß?«
Über ihnen flimmerten die Sterne in der Nachthitze, und Dillinger spürte, daß ihm das Hemd am Rücken klebte. Er wischte sich den Schweiß mit dem Handrücken von der Stirn. »Diese verdammte Hitze!«
Fallon kam zu ihnen herüber und starrte in die Berge. Am Horizont verschwanden die Sterne hinter einer aufziehenden Wolkenwand.
»Ich glaube, ein Gewitter kommt«, sagte der alte Amerikaner.
»Hier in der Wüste?« fragte Dillinger erstaunt.
Fallon nickte. »Wärmegewitter sind hier gar nicht selten.«
»Wie geht’s von hier aus weiter?« wollte Dillinger wissen. »Ob’s der Chevrolet schafft?«
»Früher sind Fuhrwerke mit Ochsengespannen über diese Berge gefahren«, antwortete Fallon. »Damals hat’s dort überall Bergwerke und sogar ein paar Haziendas gegeben. Jenseits des Hauptkamms liegt wieder nur Wüste.«
Dillinger ging zu dem Chevrolet zurück und setzte sich ans Steuer. »In der Fabrik wären sie stolz auf dich, wenn sie wüßten, was du alles schaffst«, sagte er leise, ließ den Motor an und nahm seinen Platz am Ende der kleinen Kolonne ein.
Der Weg führte in ein Gebiet aus zerklüfteten Höhen und schmalen, längst ausgetrockneten Bachbetten. Die Hänge waren mit Mesquitebüschen und Gänsefuß bedeckt, und als sie höher hinaufkamen, ragten einige wenige kümmerliche Kiefern in den Nachthimmel auf.
Dillinger und Rose mußten an einer Stelle halten und die anderen zu Hilfe holen, um einen Felsbrocken zur Seite zu rollen, an dem das Auto nicht vorbeigekommen wäre. Später hörten sie fernes Donnergrollen, und der Himmel über den Gipfeln jenseits des Tals war durch Wetterleuchten erhellt. Die Luft schien mit Elektrizität geladen zu sein: mit einer vibrie renden, summenden Kraft, die jeden Augenblick mit der Gewalt eines Dammbruchs über sie hereinbrechen konnte.
Nachita marschierte seit einiger Zeit zu Fuß, bewegte sich nur langsam und kniete manchmal sogar nieder, um die Fährte mit den Fingerspitzen zu ertasten. Unterdessen hatte sich der ganze Himmel bezogen, und der Mond war verschwunden. Trotzdem fuhr Dillinger ohne Licht weiter.
»Auf einem Pferd wären wir sicherer, glaub ich«, stellte Rose fest.
Sie überwanden einen bewaldeten Grat und erreichten eine kleine, von dichtem Unterholz umgebene Lichtung. Der alte Häuptling drehte sich im Sattel um und hob eine Hand.
»Hier bleiben wir bis morgen früh. Kein Feuer, kein Licht! Sie sind ganz in der Nähe.«
Die Reiter stiegen ab, und Dillinger stellte den Chevrolet unter eine Baumgruppe. Rivera war sichtlich ungeduldig. »Warum können wir nicht weiterreiten und sie überraschend angreifen?«
Nachita schüttelte den Kopf. »Sie würden unsere Pferde hören, bevor wir nahe genug heran wären, und wir sind tiefer als sie. Da kann man nicht überraschend angreifen. In der Dunkelheit würden sie uns im Unterholz auflauern, ohne daß wir wüßten, wo sie stecken.«
»Ich dachte, Indianer kämpften nicht gern nachts?« fragte Dillinger den jungen Franzosen.
»Irgend jemand muß vergessen haben, das auch den Apachen zu erzählen«, meinte Chavasse grimmig. Er wandte sich an Rivera: »Dort oben sind siebzehn Mann. Ein starker Gegner, wenn man nachts bergauf und möglicherweise bei Gewitter angreifen soll. Nachita weiß, was er tut. Ich bin bereit, ihm in allem zu
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