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Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte

Titel: Der Tag, an dem meine Frau Gott spielte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Steen
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er nicht verstand. Woraufhin der Zweite dem Ersten in die Rippen boxte, um ihn zum Schweigen zu bringen. René ließ die beiden links liegen und ging weiter.
    Leider konnte er den Parkplatz auch nach längerer Suche nicht finden. Dabei hatte er den Lageplan des Geländes fest in seinem Gehirn abgespeichert. Aber aus irgendeinem Grund konnte er ihn heute nicht richtig abrufen. Wahrscheinlich war da irgendwas mit seinen Synapsen nicht in Ordnung. Oder es lag an den Medikamenten. Oder am Wetter. Bei diesen Lichtverhältnissen sah die Welt so grau in grau aus.
    Sauwetter, mistigs, miserablig!
    Er fragte ein paar Jugendliche nach dem Weg, aber sein Auftritt schien sie nur zu belustigen.
    „Das ist ja krass, Digger“, rief einer von ihnen und schlug sich vor Vergnügen auf die Schenkel.
    Das machte René noch wütender. War er denn heute nur von Deppen umgeben?
    „Stier mi ned gar a so o mit deine greislige Batzlaugn!“, sagte er zu dem frechen Burschen.
    Dann ließ er die Bagage stehen und irrte weiter zwischen den Gebäuden herum und an Gebüschgruppen und unter Bäumen entlang, immer auf der Suche nach jemandem, der ihm sagen konnte, wo Claudi war. Dabei dirigierte er seinen Infusionsständer an allen möglichen Hindernissen vorbei oder darüber hinweg: an Schwellen, Grasbüscheln, Hundehäufchen, Schranken, Sitzbänken, Papierkörben … Das war mächtig anstrengend. Kein Wunder, dass die Schmerzen in seinem Oberbauch wieder einsetzten, sodass er sich nach einer Weile sterbenselend fühlte. Wenn er überhaupt noch vorankommen wollte, musste er vornübergebeugt gehen. Dann fing er auch noch an zu frieren und Sterne zu sehen, denn er war bereits tropfnass und sein Kreislauf hing in den Seilen. Aber er hatte ja seinen Infusionsständer dabei. Auf dem konnte er sich abstützen wie auf einem Bettelstab.
    Im Laufe der Zeit begegnete er mehreren Radfahrern, Passanten und Spaziergängern, aber sie steckten nur die Köpfe zusammen, wenn sie ihn sahen, drehten ihre Gesichter zur Seite oder blickten durch ihn hindurch, als wäre er unsichtbar.
    Als er gerade eine Rasenfläche überquert hatte und an einer Wegkreuzung stehen blieb, um sich in der Terra incognita neu zu orientieren, schoss plötzlich eine Frau in Schwesterntracht auf ihn zu, packte ihn am Schlafittchen und sagte: „Meine Güte, was machen Sie denn hier!? Das gibt’s doch nicht. Sofort zurück, aber dalli!“
    Da sah René an sich herab und hatte einen seiner seltenen logischen Momente: Er trug nur seine Flipflops, eine Windel und ein Büßerhemd am Leib, sonst nichts. Offensichtlich klaffte das Ungetüm hinten auseinander, denn die Frau raffte es sofort zusammen und hielt René dann wie in einem Schraubstock gefangen. Dabei durchbohrte sie ihn mit ihrem typischen Krankenschwesternblick.
    Das konnte er nicht leiden.
    „Gäh Oide, schaog mi ned so deppad o“, sagte er. „Seit meiner Krankheit hob i an leichten Beggl. Auf die Tabletten wer’ i oiwei ganz damisch. Da kriag i a Drahwurm.“
    „Na, aus welcher Klinik kommen wir denn?“, fragte sie ungerührt. Sie ging überhaupt nicht auf das ein, was er gesagt hatte.
    Das konnte er noch weniger leiden.
    „Zupf di!“, sagte er und warf ihr einen giftigen Blick zu.
    Keine Reaktion.
    „Wennst so weitermachst, bettelst ma a gscheide Watschn ab, du damische Kuah“, sagte er. Aber auch das schien sie nicht weiter zu beeindrucken.
    „Die Klinik, guter Mann“, sagte sie.
    Da gab René auf, von einem Moment auf den anderen. Wenn er etwas gelernt hatte in seinem Leben, dann das: Gegen Krankenschwestern kam man in letzter Instanz nicht an.
    „Zur Dings …“, sagte er und bemühte sich nach Kräften, den richtigen Ausdruck zu finden. Aber das war nicht leicht, wenn sich das Gehirn aufgrund der Krankheit in einen löcherigen Käse verwandelt hatte. Während er nach dem richtigen Wort rang, rauchte ihm buchstäblich der Kopf. „Zur Dingsbums … Na, Sie wissen schon: die Klinik, wo …“, fuhr er fort. Dann war wieder Schluss.
    „Wird’s bald?“, fragte die Frau und sah ihn an, als würde er den richtigen Ausdruck eigentlich wissen und nur nicht damit herausrücken, weil er sie ärgern wollte oder generell zu faul zum Reden war. „Wollen Sie sich hier draußen den Tod holen?“, fuhr sie fort.
    Tod! Das war das Stichwort für René.
    „Na, diese Siechenanstalt, da, wo es immer nach Gülle riecht“, sagte er. „Dieses Reservat für Alkis und Leberkranke und Dialysepatienten.“
    „Meinen wir vielleicht

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