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Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei.: Eine deutsche Tragödie

Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei.: Eine deutsche Tragödie

Titel: Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei.: Eine deutsche Tragödie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raufeisen
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geschrieben hatte. Wusste er eigentlich, dass ich im 11. Stockwerk wohnte? Ich riss mich zusammen und fuhr erst einmal wieder in unsere Wohnung.
    Gegen Abend klingelte es an der Haustür. Peter. Er war sehr neugierig, was mit uns passiert war. Dass ein Treffen mit mir ein Risiko für ihn darstellen könnte, war ihm egal. Ich erzählte in groben Zügen, was in den letzten drei Jahren vorgefallen war. Er hatte sich schon so etwas Ähnliches gedacht.
    „Ihr wart ganz plötzlich nicht mehr da. Für mich gab es zwei Möglichkeiten: Entweder Knast oder Verkehrsunfall. Ich habe hin und wieder mal nachgesehen, ob das Klingelschild noch an der Tür war. Es wurde nie weggenommen, so war eigentlich klar, dass es nur Knast sein konnte.“
    Vorher war ich hin- und hergerissen, ob ich Peter treffen sollte, nun war ich heilfroh, in dieser Zeit nicht ganz so allein zu sein. Peters Gegenwart hat mir in den folgenden Tagen sehr geholfen.
    Übers Wochenende fuhr ich zu meinem Onkel Günter nach Erfurt. Bei ihm wollte ich ein paar Sachen abholen, die er aus der Wohnung mitgenommen hatte. Außerdem hatte er unseren Briefkasten-Schlüssel, den ich unbedingt brauchte. Es war sehr schön, Günter wiederzusehen, ohne Bewachung. Allerdings konnte er mir auch keine näheren Auskünfte zu meiner Ausreise machen. Mehr als das, was er schon im Brief nach Bautzen geschrieben hatte, wusste er nicht. Etwas verwirrt kehrte ich wieder zurück nach Berlin.
    Im Briefkasten steckte ein Brief vom Rat des Stadtbezirks in Berlin-Mitte, datiert auf den 11. September 1984; er war also an meinem Entlassungstag abgeschickt worden.
    „Werter Herr Raufeisen! In Ihrer persönlichen Angelegenheit werden Sie gebeten, sofort nach Erhalt im Berolinahaus, Alexanderplatz 1, Abteilung Innere Angelegenheiten, Zimmer 208, zu erscheinen.“
    Das war dort, wo ich mich schon gleich am Tag meiner Haftentlassung melden musste, aber ein anderes Büro, ein Stockwerk tiefer.
    Ging es jetzt los? Aber dann hätte doch Anwalt Vogel etwas gewusst? Was hatte das zu bedeuten? Ich hatte gleich so ein Gefühl. Sofort am Montagmorgen ging ich ins Berolinahaus. Tatsächlich: Die Sachbearbeiterin dort hatte eine Mitteilung für mich:
    „Ihr großer Wunsch geht jetzt in Erfüllung. Ihre Ausreise ist genehmigt. Ich gebe Ihnen noch einen Laufzettel, den Sie in den nächsten Tagen abarbeiten müssen. Verschiedene Stellen, die hier aufgelistet sind, müssen bescheinigen, dass Sie keine Zahlungsverpflichtungen bei denen haben. Wenn Sie das erledigt haben, liefern Sie das Blatt wieder bei mir ab. Es dauert nur noch ein paar Wochen, bis es losgeht.“
    Was für eine Freude, endlich! All das Elend würde bald ein Ende haben.
    „Wie sieht es denn jetzt aus mit der Lehrstelle bei der BVB, die ich bald antreten sollte. Das hat sich doch wohl erübrigt. Ich muss noch mal zu Ihrer Kollegin, um ihr das mitzuteilen.“
    „Das brauchen Sie nicht, ich habe das schon für Sie erledigt. Natürlich brauchen Sie nicht dort in den Betrieb. Haben Sie denn genügend Geld zur Verfügung für die verbleibenden Wochen?“
    „Ja, durch meine Arbeit im Gefängnis habe ich noch ca. 2000,- Mark.“
    „Das wird in den verbleibenden Wochen dicke ausreichen. Also kein Problem. Bearbeiten Sie in Ruhe den Laufzettel und kommen Sie dann wieder.“
    Damit verabschiedete sie mich und ich verließ das Gebäude eine gefühlte Tonne leichter. Im Nachhinein fiel mir auf, wie freundlich diese Frau war. Ich hatte erwartet, als Ausreiser, als im Knast gesessener Staatsfeind, würde ich nur äußerst rüde und unfreundlich behandelt werden. Offensichtlich sahen mich nur Stasi-Leute als Feind an; die normalen Leute, auch in den Banken, wo ich in den folgenden Tagen diverse Stempel und Unterschriften sammeln musste, waren immer sehr freundlich. Durch die Ausreisewelle der 80er Jahre war wohl schon ein kleiner Bewusstseinswandel eingetreten. Seltsam blieb trotzdem das Gespräch bei Anwalt Vogel. Offensichtlich hatte er nichts von dieser Entwicklung gewusst, obwohl die Entscheidung schon gefallen war, als ich bei ihm war.
    Die nächsten zwei Wochen verbrachte ich damit, diesen Laufzettel abzuarbeiten. Mit Peter und auch seiner Schwester Grit traf ich mich öfter. Sie besuchten mich, wir gingen mal essen. Sie fragten mich auch, ob ich in die Disco mitkommen würde. Unter so vielen Menschen, in drangvoller Enge … Nein, das ging nicht. Soweit war ich noch lange nicht. Mein Geld musste ich aber irgendwie loswerden, da es nicht erlaubt

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