Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
es in den Pariser Gassen niemals fehlt und die stehengeblieben waren, um sich an meinen fruchtlosen Versuchen zu weiden. Ich glättete mein Gesicht, so gut ich konnte, und machte mich auf den Rückweg, nicht allzu sicher auf meinen Füßen und schnaufend, als wäre ich eine Stunde über Berg und Tal gerannt.
»Moussu!« rief Miroul, als er mich so kurze Zeit danach wieder erblickte, »Ihr seid ja kreidebleich! Bei allen Teufeln, was ist passiert? Moussu, setzt Euch doch, hier auf den Lehnstuhl. Ihr haltet Euch ja kaum auf den Beinen! Holla, Franz! Schnell, bring Wein!«
»Es ist nichts, mein Miroul«, sagte ich mit erloschener Stimme. Worauf ich in einem Zug den halben Becher leer trank, den Franz mir reichte.
»Mein Pierre«, sagte Miroul, indem er mich erschrocken musterte. »Was ist? Seid Ihr krank? Fiebert Ihr?«
»Nein, nein«, sagte ich und versuchte zu lächeln. »Das ist es nicht. Der Verstand leidet, nicht der Körper.«
Und da Franz den Raum verließ, erzählte ich Miroul, was mir begegnet war.
»Kurzum, mein Pierre«, sagte Miroul, »die Dame gibt Euch den Abschied.«
»Beim Ochsenhorn, Miroul!« fauchte ich, »mußt du mir das so sagen? Meinst du, ich hätte es nicht selbst gemerkt?«
»Nun, es gibt Abschied und Abschied«, sagte Miroul, »und dieser ist der ruppigste und unhöflichste, den man sich denken kann!«
»Gewiß«, sagte ich, »und das schmerzt mich am allermeisten, denn die Dame, die ihn mir gibt, ist ein Engel.«
»Ein Engel, mein Pierre?« sagte Miroul, und sein braunes Auge blitzte, sein blaues blieb kühl.
»Jawohl. Ein Engel!« sagte ich hitzig. »Dafür ließe ich mir den Kopf abhacken.«
»Das ist er schon«, sagte Miroul. »Die Dame könnte ihre Tür damit zieren.«
»Miroul!«
»Tausendmal um Vergebung, Moussu! Aber wenn ich mir’s recht überlege, scheint mir, daß eine Frau, die vom Engel zumDämon wird, ja wohl einen mordsmäßigen Zorn auf Euch haben muß. Sagt, habt Ihr besagte Dame gekränkt? Habt Ihr womöglich ein bißchen an ihren Engelsflügeln gezupft?«
»In keiner Weise.«
»Um Vergebung, Moussu. Je länger ich nachdenke, desto mehr finde ich: Ein Schloß auswechseln, durch welches der Liebhaber einzutreten pflegte, ist das letzte, was man diesem antun kann.«
»Als ob ich das nicht wüßte, Cap de Diou! Mußt du es mir immer wiederholen?«
»Moussu, es läßt sich nicht länger bestreiten: Die Dame muß wildwütend auf Euch sein wegen irgendeiner Beleidigung, die Ihr ihr vermeintlich angetan habt, und hat für Euch nur mehr Haß und Verachtung.«
»Aber, beim Ochsenhorn! warum?« schrie ich. »Warum? Was habe ich verbrochen?«
»Moussu«, sagte Miroul, mit beiden Händen abwehrend, »das müßt Ihr sie fragen, nicht mich.«
»Was!« rief ich, »soll ich vor ihr auf Knien rutschen, nachdem sie mich so behandelt hat?«
»Es wäre nicht das erstemal«, sagte Miroul, mit halbem Munde lächelnd, »daß Ihr vor einer Dame auf Knien rutscht; der zu Reims hättet Ihr am liebsten die Füße geleckt.«
»Beim Ochsenhorn! Ist dies der Augenblick zu spotten? Ihr erschöpft meine Geduld!«
»Und Ihr erschöpft meine, Moussu. Um es rundheraus zu sagen, Ihr seid ein großer Tor, daß Ihr nicht zur Stunde hineilt und Euren Engel durch den Haupteingang aufsucht. Man muß das Eisen schmieden, um ihm die Kälte auszutreiben.«
»Sie aufsuchen? Nachdem sie mich so vor den Kopf gestoßen hat!«
»Moussu, Ihr wißt genau, wenn eine Frau unsereinen kränkt, kann sie es nicht erwarten, daß wir sie schnellstens um Verzeihung bitten.«
»Hiernach?«
»Seid Ihr nicht wenigstens neugierig, womit Ihr den ungerechten Zorn verdient habt? Wollt Ihr Euch nicht von ihren Verdächtigungen reinwaschen?«
»Ich denke nicht daran! Ich verachte, wer mich verachtet!«
»Ach, Moussu! Ihr habt kein Herz! Seht Ihr denn nicht,durch die Mauern hindurch, wie die Ärmste in dieser Minute, da ich zu Euch spreche, bäuchlings auf ihrem Bette liegt, den Kopf in die Kissen vergraben, und sich die Seele aus dem Leibe schluchzt?«
»Sie weint?« rief ich. »Dieses Scheusal, das mich so entsetzlich leiden läßt, erlaubt sich zu weinen? Das glaubst du doch selber nicht.«
»Moussu! Wer wüßte nicht, daß Frauen seltsame Wesen sind. Bei ihnen läuft es andersherum als bei uns. Sie verwunden sich selbst durch das Böse, das sie uns antun. Aber ich wette mit Euch um mein Gut La Surie, wenn Ihr endlich hingeht zu ihr, findet Ihr sie mit rotgeweinten Augen und verquollenem Gesicht.«
»Ich
Weitere Kostenlose Bücher