Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
auf der Welt, die mich in diesem Augenblick hätte trösten und aufrichten können, meine Louison mit ihren guten blauen Augen, ihrem frischen Gesicht und ihren lieben, runden Armen gewesen wäre. Doch ach, die Wahrheit war scharf wie Essig und bitter wie Galle: Ich hatte die Kammerjungfer der hohen Dame geopfert, und nun hatte ich beide verloren.
Die Minuten währten mir ein Jahr und die halbe Stunde ein Jahrhundert, bis der Page wiederkam und wortlos und schamlos vor mir stehenblieb, bis er seinen Ecu erhielt und Miroul ihm einen Tritt versetzte. Mir zitterten derart die Hände, daß ich endlose Zeit brauchte, das Siegel zu erbrechen und das Blatt zu entfalten, das von der Hand der Herzogin und in ihrer kuriosen Orthographie geschrieben war.
Meusieu
Ihr sait Ein Ungheur. Ich weis es genau. Un ich verbiede Euh auf ihmer mir su shreibben un Eur Ferätergesihd an meinr tür zuzeigen. Catherine,
Herzogin von Guise
Nachdem ich den Brief gelesen hatte, gab ich ihn, wegen seines Inhalts zu keinem Worte fähig, Miroul. Der warf einen Blick drauf, dann brach er zu meiner Entrüstung in helles Lachen aus.
»Ungeheuer, du!« rief ich, »du bringst es fertig zu lachen?«
»Ach, Moussu, auch wenn ich ein Ungeheuer bin – aber nach dem Brief Eures Engels seid Ihr nicht besser –, so bin ich über dieses Briefchen doch herzlich froh für Euch.«
»Was sagst du, Verräter! Du weidest dich an meinem Unglück?«
»Ich weide mich an diesem Billett.«
»Was ist so weidlich daran?«
»Daß es große Liebe bezeugt.«
»Schluß mit deinem Gespött, Miroul,« sagte ich und kehrte ihm den Rücken, »du bist ein Hundsfott. Sei bitte still! Du würdest mich ernstlich verletzen.«
»Moussu«, meinte darauf Miroul, »stimmt es, daß Ihr die Frauen im gewöhnlichen Leben gut kennt?«
»Wenigstens sagen sie es.«
»So, und wie kommt es, Moussu, daß Ihr, wo Ihr liebt, plötzlich nichts mehr versteht? Springt es Euch denn nicht in die Augen, daß dieses Billett von einer geschrieben wurde, die außer sich ist? Und welche Leidenschaft kann eine Frau dermaßen außer sich bringen, wenn nicht die Eifersucht?«
Ich nahm ihm das Billett aus der Hand, las es, las es noch einmal und war baff.
»Moussu«, fuhr er fort, »angenommen, die Herzogin hätte Euch anderes vorzuwerfen als Liebesverdruß, sagen wir vielleicht, daß sie entdeckt hätte, daß Ihr die Reimser ermutigt habt, sich hinterm Rücken des jungen Herzogs Seiner Majestät zu unterwerfen, dann hätte sie Euch in zugleich kühlerer und höflicherer Form den Abschied gegeben. Ich denke, dann hätte sie Euch etwa in dem Stil geschrieben:
Monsieur,
man hat mir entdeckt, welche Abmachungen Ihr mit den Reimsern hinterm Rücken meines Sohnes getroffen habt, und da ich meine, daß man nicht gleichzeitig ein Freund dieser Rebellen und meines Hauses sein kann, wäre ich Euch sehr verbunden, wenn Ihr mein Haus künftighin mit Eurer Anwesenheit verschonen wolltet. Allein unter dieser Bedingung verbleibe ich, Monsieur, zu Hof und Stadt Eure ergebene Dienerin
Catherine,
Herzogin von Guise
So etwa«, fuhr Miroul fort, »das wäre distanziert, verächtlich und unwiderruflich gewesen. Aber diese Worte ›Unge heuer ‹ und ›Verräter‹, die Euer Engel hier gebraucht, riechen auf zwanzig Meilen nach Liebesstreit. Übrigens, Moussu, habtIhr mich vorhin mit denselben Worten belegt, als mein Lachen Euch reizte.«
»Ha, mein Miroul!« rief ich, indem ich zu ihm stürzte, ihn in die Arme schloß und auf beide Wangen küßte. »Du bist der allerbeste, allerliebste Freund!«
»Ei, ei«, sagte er, halb lachend, halb bewegt, »irrt Ihr nicht, mich Verräter zu küssen?«
»Ha, Miroul!« sagte ich, »laß diese Reden! Sie tun mir weh.«
Ganz aufgemuntert indes durch seine scharfsinnigen Bemerkungen, spazierte ich auf und ab durchs Gemach, die Hände auf dem Rücken und den Kopf wieder obenauf; fühlte ich doch, daß ich meine Seele wieder in der Gewalt hatte und meinen Kahn aufs neue zu steuern wußte. Und plötzlich fühlte ich mich tatsächlich erzürnt gegen mich selbst, daß ich so lange so weinerlich und kopflos gewesen war. Und weil ich begriff, daß mein erstes Billett vielleicht zu sanft und flehentlich gewesen war, um den Zorn meiner Dame zu entwaffnen, entschloß ich mich, etwas mehr Härte und Hoheit in meine Stimme zu legen, damit sie mich erhöre.
»Herr Junker«, sagte ich mit liebreichem Lächeln, »hättet Ihr wohl die Huld, einmal zu vergessen, daß Ihr
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