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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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wette, daß es nicht so ist!« schrie ich, »und jetzt gehe ich hin, um deine Behauptung zu widerlegen.«
    Worauf mein Miroul schmunzelte und stillschwieg. Und, schöne Leserin, die Sie sich durch Schminke, Putz und Kleider für Begegnungen wappnen, die Sie folgenreich dünken, Sie mögen sich denken, daß ich, so unterschiedlich wir beide auch sein mögen – die Logik des Aristoteles hat in Ihrem zarten Busen und in meiner rauhen Brust nicht dieselben Regungen gezeugt –, daß ich, sage ich, in dieser Situation genau dasselbe tat, was auch Sie getan hätten: Ich begann, von Kopf bis Fuß Toilette zu machen, ließ mich im großen Zuber von Guillemette seifen, ließ mir von Lisette die Haare kräuseln, legte ein frisches Wams an, kurzum, ich glättete rundum mein Gefieder, parfümierte mich obendrein, um jede Spur des bösen Angstschweißes zu vertreiben, in den jenes Ärgernis mich getaucht hatte. Und zu Pferde, den Hünen Franz zur Seite, trabte ich zum Hôtel der Herzogin, vor welchem ich absaß, Franz die Zügel übergab und auf den Lakaien zutrat, der das Tor bewachte.
    »Picard«, sagte ich, denn ich kannte ihn gut, »melde mich deiner Herrin.«
    »Herr Marquis«, sagte Picard, auf dessen rotem Gesicht sich die größte Verlegenheit malte, »das kann ich nicht. Die Frau Herzogin ist nicht zu Hause.«
    »Picard«, sagte ich leise, so wütend ich auch war, indem ich ihm näher rückte, »lüg nicht, oder, bei meinem Seelenheil, ich ziehe meinen Dolch und mache dich zu Klöppelspitze! Sie ist zu Hause! Ich weiß es.«
    »Herr Marquis«, sagte Picard, und sein sommersprossiges Gesicht erblaßte, »es ist sehr unangebracht von Euch, mich zu bedrohen, denn ich bin ein guter Diener und sage nur, was man mir zu sagen befiehlt.«
    »Heißt das«, sagte ich, »daß die Herzogin niemals mehr zu Hause sein wird, wenn ich an ihre Tür klopfe?«
    Hierauf blickte Picard mich stumm und tief erschrocken an, doch sein Schweigen antwortete statt seiner, und ich, der ich ihm ins Gesicht starrte, hatte nicht übel Lust – ich schäme mich, es zu bekennen! –, ihn auf der Stelle niederzuhauen wie angeblich die römischen Cäsaren einen Boten schlechter Nachrichten. Was mich davon abhielt – soll ich auch das bekennen, so absurd es ist? –, das waren seine Sommersprossen, die mich plötzlich an meinen lieben Bruder Samson erinnerten.
    »Ha, Picard!« sagte ich mit tonloser Stimme, den Kopf senkend, »es wäre wahrhaftig ungerecht, dir zu verübeln, daß du deinen Befehl erfüllst und deiner Herrin aufs beste gehorchst. Hier ist ein kleiner Obolus zur Entschädigung für den Schrecken, den ich dir eingejagt habe.«
    Hiermit drückte ich ihm einen Ecu in die Hand, und strauchelnd und stolpernd stieg ich wieder zu Pferde und wäre, glaube ich, nicht nach Hause gekommen, wenn Franz, der meinen Zustand sah, nicht meine Stute beim Zügel gefaßt und geführt hätte.
    »Ach, Miroul!« sagte ich, indem ich wiederum in den Lehnstuhl fiel, nun auf dem Gipfel der Verzweiflung, »alles ist verloren. Die Herzogin hat ihren Lakaien Order gegeben, mich am Tor abzuweisen.«
    »Verloren!« sagte lächelnd Miroul, »aber pfui, Moussu! Nichts ist verloren, solange man das Leben hat. Wenn unser König Henri gedacht hätte wie Ihr, hätte er Laon niemals genommen. Die Schöne hat den ersten Sturm abgeschlagen. Also läßt man schnurstracks den zweiten folgen. Glaubt Ihr, man siegt, ohne einen Schlag abzugeben? Holla, Franz, bitte, bring Schreibzeug!«
    »Und was soll ich ihr schreiben?« fragte ich mutlos.
    »Daß Ihr sie um jeden Preis sprechen wollt, und sei es nur, damit sie Euch den Grund ihrer Ungnade nennt!«
    Was ich sogleich tat. Und nachdem Miroul das Briefchen gesiegelt hatte, rief er einen Pagen und drohte, ihm den Hintern zu verbleuen, wenn er es nicht auf schnellstem Wege, ohne jedesTrödeln, ablieferte und sofort mit einer Antwort wiederkäme. Welch schrecklichen Drohungen ich das Versprechen eines Ecu hinzufügte, wenn er binnen einer halben Stunde mit der Antwort vor mir stünde.
    »Ha, Moussu!« sagte Miroul, als der Schlingel fort war, »Ihr verwöhnt mir den Hallodri! Ein Ecu! Vergeßt Ihr, daß wir ihm Lohn bezahlen?«
    Doch ich schwieg, den Kopf in den Händen, ich mochte mit Miroul nicht um einen lumpigen Ecu streiten, wo es um meine große Liebe ging. Miroul verstand es und setzte sich stumm an meine Seite. Und wahrhaftig, schöne Leserin, auch wenn Sie jetzt schlecht von mir denken, muß ich gestehen, daß die einzige Person

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