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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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jetzt Monsieur de La Surie seid, und nach meinem Diktat einen Brief zu schreiben?«
    »Monsieur de La Surie«, sagte Miroul, »erinnert sich mit Freuden, daß er einst Euer Sekretär war, und glaubt, sich nichts zu vergeben, wenn er es wieder ist.«
    »Vielen Dank, Miroul. Dann schreib: Madame.«
    »Wie?« fragte Miroul, »einfach Madame? Ohne ›Herzogin‹ dahinter?«
    »Ohne ›Herzogin‹. Also:
     
    Madame,
    als der Herr Herzog von Guise kürzlich zu Reims dem Herrn de Saint-Paul seinen Degen in die Brust stieß und diesen seiner Hand entfahren ließ, wehrte das ›Ungeheuer‹, von dem Ihr sprecht, mit seiner Klinge die des Barons de La Tour ab und erhielt Euch den geliebten Sohn.
    Was das ›Ungeheuer‹ angeht, auf das Ihr anspielt, so hat es im selben Moment, da Ihr ihm Eure Freundschaft schenktet, umgehend jedes andere Band gelöst, um Eurer Person eherne Treue zu leisten. Wer immer Euch das Gegenteil sagt, der hatgelogen, und sowie ich seinen Namen erfahre, stoße ich ihm seine Lüge in den Schlund zurück.
    Ich reise morgen nach meinem Gut Chêne Rogneux, wohin ich mich einer Krankheit meines Verwalters wegen begeben muß, um das Einbringen meiner Ernte zu überwachen. Wenn es Euch verlangt, vor meinem Aufbruch den Verdacht der Undankbarkeit und Ungerechtigkeit zu korrigieren, den ich nach wiederholten und ungerechtfertigten Kränkungen gegen Euch fassen mußte, so werde ich bis Ende des heutigen Tages in meinem Hause sein, und Eure Antwort wird mich als den finden, der ich bin und immer zu bleiben wünsche:
    Euer ergebener, gehorsamer und Euch liebender Diener
    Pierre de Siorac.«
     
    »Ja! Das läßt sich hören!« sagte Miroul.
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Ist es nicht ein bißchen sehr schroff?«
    »Ganz und gar nicht. Wie soll die Dame an Eure Unschuld glauben, wenn Ihr Euch nicht ein bißchen beleidigt zeigt? Trotzdem, wenn ich an Eurer Stelle wäre, würde ich diesen Brief eigenhändig schreiben. In einer so heiklen Angelegenheit könnte die Herzogin sich an meiner Handschrift stoßen.«
    Ich stimmte ihm zu, schrieb das Billett mit eigener Hand, und wie ich zu meiner Genugtuung feststellte, zitterte diese nicht mehr.
    Als Miroul nach einem Pagen rief, damit er den Brief überbringe, erschien diesmal Thierry, der hübsche Blondschopf, und bat ungefragt, sich ebenfalls einen Ecu verdienen zu dürfen, er werde auch im Nu zurück sein. Was ich ihm lachend versprach.
    Doch während die Minuten nun verstrichen, gefror mir das Lachen auf den Lippen, ich wanderte hin und her durch den Raum und hatte nicht einmal mehr Speichel genug, um zu sprechen.
    »Moussu«, sagte Miroul, »was ist das? Ihr redet kein Wort?«
    »Miroul, ich kann nicht.«
    »Moussu, leert Euren Becher. Er ist noch halb voll.«
    Was ich tat.
    »Geht es Euch besser, Moussu?«
    »Nur wenig.«
    Womit ich mich in den Lehnstuhl fallen ließ.
    »Mir hämmert das Herz«, sagte ich mit kraftloser Stimme, »und mir zittern die Knie. Miroul, ist es nicht seltsam, daß man sich in solche Pein versetzen läßt von einer klitzekleinen Frau, die einen obendrein so schlecht behandelt? Cap de Diou! Mir das Schloß vor der Nase auszuwechseln! Mich auf der Straße stehenzulassen, den nutzlosen Schlüssel in Händen! Mich vor ihrer Tür abzuweisen! Mich ›Ungeheuer‹ und ›Verräter‹ zu schimpfen! Hätte ein Mann mir das anzutun gewagt, wäre er schon tausendmal tot!«
    »Nur daß Ihr nicht einen Mann liebt!«
    »Gewiß! Gewiß! Aber ist es nicht reine Tollheit, derart an einem Geschöpf Gottes zu hängen?«
    »Richtig«, sagte Miroul. »Wir lieben viel zu sehr die Geschöpfe und viel zuwenig den Schöpfer. Ich werde auf der Stelle gehen und uns die zwei kahlsten Zellen im Augustinerkloster bestellen. Ha, Moussu! Wie köstlich, nur mehr im Gedanken an den Tod zu leben!«
    Doch ich hörte kaum zu, mir lag nichts als der Streit mit meinem Engel im Sinn.
    »Miroul, wie kommt es, daß diese Frau, die alle Welt und sogar der König für die sanftmütigste und liebreichste Dame am Hofe hält, zu mir so grausam ist?«
    »Weil sie Euch liebt.«
    »Heißt Lieben denn Grausam-Sein?«
    »Moussu, das solltet Ihr eigentlich wissen.«
    Doch kamen wir nicht dazu, weiter zu disputieren, denn herein flatterte Thierry mit einem gefalteten Blatt in Händen, das ich ihm entriß.
    »Hier dein Ecu, Lerche!« sagte ich, indem ich ihm die Münze zuwarf, die er im Fluge fing, um sie nicht nur Luc zu zeigen, sondern, wie ich später hörte, dem ganzen Haus.
    Ich erbrach

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