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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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das Siegel und las:
     
    Ich awate euch
    Catherine
     
    »Ha, gewonnen, Moussu!« rief Miroul, als ich ihm das Billett gab. »Sie erwartet Euch, so eilig hat sie es! Nicht einmal eine feste Stunde gibt sie an. Setzt auch den Titel nicht hinter ihren Namen. Dies schreibt ein Weib, nicht eine hohe Dame.«
    Doch ich hörte schon nicht mehr. Kaum nahm ich mir Zeit, meine Krause zuzuknöpfen und meinen Degen zu gürten, und im Pferdestall, wohin ich eilte, stampfte ich vor Ungeduld, bis Pissebœuf mein Pferd gesattelt hatte und Poussevent das von Franz, der mir nachher erzählte, ich sei zu seiner großen Sorge über das regentriefende Pflaster galoppiert wie ein Verrückter.
    Die Herzogin empfing mich nicht, wie ich es erwartete, in ihrem Prunksalon, sondern in ihrem Kabinett, das allerdings den Ohren des Hausgesindes ferner lag, auch weniger hell war, nur von ein paar Kerzen erleuchtet. Doch so begierig ich auch in ihrem Gesicht forschte, das überdies stärker geschminkt war als sonst, konnte ich nichts von den Spuren entdecken, die Miroul mir prophezeit hatte, und also nicht feststellen, ob sie sich wegen ihrer Härte gegen mich hinreichend gegrämt hatte, um sich die Augen auszuweinen. Ha, schöne Leserin! Wie seltsam die Liebe doch ist, und welche heimlichen Grausamkeiten mit ihr einhergehen! Ich, der diesen Engel mehr liebte als mich selbst, war regelrecht enttäuscht, daß die Trennung von mir sie nicht unglücklicher gemacht hatte!
    Doch Schminke, Kerzen und Stolz waren nicht alles: Die Stimme mußte man hören, die meiner kleinen Herzogin jedoch zu versagen schien, denn sie machte mir nur ein Zeichen, auf einem Schemel Platz zu nehmen, dann sah sie mich lange bedrängten Busens und halboffenen Mundes an, doch ohne einen Laut von sich zu geben, wahrscheinlich war sie dazu außerstande. Und weil ich meinerseits stumm blieb, gingen unsere Blicke ein Jahrhundert lang hin und her, ohne daß ein Ton laut wurde, obschon wir beide mehr Worte für den anderen im Kopf hatten als ein Hund Flöhe. Was mich anging, Leser, das will ich dir freiheraus sagen: Als ich sie da vor mir sah, so hübsch und süß, hatte ich nur den einen Wunsch, sie in die Arme zu schließen und zu küssen. Aber du weißt ja, derlei geht leider nie ohne Zierereien, Vorreden, Wortgeplänkel ab, einem ganzen Zeremoniell. Ich bin noch keiner Frau begegnet, ob Kammerfrau oder hoher Dame, die darauf verzichtet hätte.
    »Nun, Madame«, sagte ich endlich mit ziemlich steifer Verneigung und unsicherer Stimme, »Ihr habt mich erwartet. Hier bin ich.«
    »Das sehe ich«, sagte sie kühl, doch ihre Stimme zitterte.
    Worauf sie plötzlich die Stirn runzelte.
    »Lange habt Ihr gebraucht!« setzte sie zornig hinzu.
    »Madame«, sagte ich, baff über die schreiende Absurdität dieses Vorwurfs, »ich wäre schneller hiergewesen, hättet Ihr nicht das Schloß ausgewechselt, mich von Eurem Lakaien abweisen lassen und mir durch Euer erstes Billett ausdrücklich verboten zu kommen.«
    »Monsieur«, sagte sie, jäh flammenden Auges, »Ihr hättet trotzdem kommen müssen!«
    »Wie, Madame? Hätte ich mich mit Euren Lakaien prügeln sollen? Sie womöglich niederstechen, um mir Zutritt zu erzwingen, nachdem Ihr mich schwarz auf weiß einen Verräter, ein Ungeheuer genannt hattet?«
    »Ihr hättet Euch von diesen Anschuldigungen schleunigst reinwaschen sollen!«
    »Madame!« rief ich, »das ist pure Tollheit! Ich habe den Tag damit zugebracht, Eure Tür zu belagern!«
    »Was heißt das schon, Monsieur«, rief sie, vollends außer sich. »Wenn Ihr mich wirklich liebtet, wärt Ihr durch Mauern gegangen!«
    »Ich bin durch Mauern gegangen, und hier bin ich!« sagte ich, denn einem Toren soll man mit seiner Torheit antworten. Worauf ich vor ihr niederfiel und ihre Hände ergreifen wollte, aber sie entriß sie mir und begann mich mit den ihren zu kratzen und zu schlagen – Spielchen, mit denen sie mich so manchesmal zu süßeren Spielen gereizt hatte –, doch waren sie diesmal nicht voller Zärtlichkeit, und so ergriff ich die kleinen Tatzen und hielt sie auf ihren Knien gefangen, die ich wiederum mit meinen Ellbogen umschloß.
    »Madame«, sagte ich, »Schluß mit diesen Garstigkeiten! Reden wir klar und rundheraus. Woher kommt das böse und schmutzige Wort ›Verräter‹, das Ihr mir an den Kopf warft?«
    »Monsieur!« schrie sie. »Ihr fesselt mich! Das ist ungehörig! Vergeßt Ihr, wer ich bin? Laßt mich los, oder ich rufe meine Lakaien, damit sie Euch

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