Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
was er denkt. So schwach die Jesuiten dastanden in der öffentlichen Verteidigung, so stark sind sie jetzt mittels geheimer Übereinkünfte. Ha, Siorac, Ihr könnt Euch die Intrigen dieser Leute, ihre Ränke und Einflußnahmen nichtvorstellen, wie sie bald mit offenem Visier, bald durch Fürsprache aller jesuitischen Seelen, die sie sich in Paris geschaffen haben, Himmel und Erde für diesen Aufschub in Bewegung setzen. Wie sie gewissen gutgläubigen Herrschaften unter den Großen einen Schrecken einjagen, als ginge es darum, Jesus in seiner göttlichen Person selber aus Frankreich zu vertreiben und nicht die Gesellschaft, die sich in tolldreister Hoffart seinen Namen anmaßt.«
»Aber«, sagte ich, »wie kann man denn nach allem, was vor Gericht gegen sie vorgebracht wurde, die Entscheidung aufschieben und auf unbestimmte Zeit vertagen?«
»Ihr vergeßt, Siorac«, sagte Lugoli, »daß es am Gerichtshof viele ligistische Amtsträger gibt, weit mehr als jene, die Heinrich III. einst ins Exil nach Tours gefolgt sind. Und daß sogar königstreue wie der Generalprokurator La Guesle …«
»Was? Der wieder? Genügte es dem Toren nicht, daß er selbst den Mörder Jacques Clément zu Heinrich III. geführt hat, muß er nun auch noch die Jesuiten unterstützen?«
»Nicht La Guesle allein«, sagte Lugoli, »es sind auch bedeutende Persönlichkeiten wie der Generalanwalt Séguier und einige andere.«
»Ich kann es nicht glauben«, sagte ich, »daß diese Gerichtsherren, die unter den ›Sechzehn‹ soviel zu leiden hatten, nicht erkennen, welche Gefahr die Jesuiten für das Leben des Königs sind!«
»Die einen«, sagte Lugoli mit spöttischem Lächeln, »geben vor, sie nicht zu erkennen. Andere sehen sie wirklich nicht. Wieder andere fürchten die spätere Rache der Jesuiten, wenn sie sich gegen sie stellen. Und noch andere sind geblendet von ihrem Ruhm. Und was die einen wie die anderen in dieser vorgeblichen oder echten Blindheit bestärkt, ist das unbegreifliche Schweigen des Königs. Es sieht so aus, als ob diese Sache, bei der es doch um sein Leben geht, ihn gar nicht betrifft.«
»Ihr trefft den Nagel auf den Kopf, Lugoli!« sagte ich. »Auch ich bin über diese Stummheit des Königs verwundert und wie jedermann überzeugt, daß ein Wort von ihm, ein einziges Wort … Sankt Antons Bauch! Warum spricht er nicht?«
»Nun, Siorac«, sagte Lugoli, indem er mich beim Arm faßte und ihn kraftvoll drückte, »warum fragt Ihr ihn nicht? Ihr habt dazu den Beweggrund, die Möglichkeit, ja die Pflicht! Er hatEuch beauftragt, den Prozeß zu verfolgen: Eilt hin und berichtet ihm alles! Erzählt ihm auch die Geschichte mit dem Rubin! Besser noch: Überbringt ihm den Stein! Ihr würdet mich von einer großen Sorge befreien, denn Präsident de Thou ist alt und gebrechlich. Und wenn er morgen stirbt, wie soll ich besagten Stein dann loseisen aus seiner Erbschaft, da die Aufbewahrung ja nicht amtlich erfolgt ist?«
Mit vierzig Bewaffneten, meinen und Quéribus’ Leuten, und dem Rubin im Wams traf ich in Laon ein und hörte von Monsieur de Rosny, der König sei beschäftigt, mit den Abgesandten von Amiens die Übergabe der Stadt zu besiegeln. Seine Majestät empfing mich also erst am nächsten Tag um Mitternacht, zu Bette wie schon oft, denn dies war die Zeit seiner geheimsten Audienzen, weil Schranzen und Offiziere, die ihn zu umgeben pflegten, sich dann zurückgezogen hatten.
Mit dem fröhlichsten Gesicht, denn der Besitz Amiens’ nahm ihm einen schweren Stein von der Seele, fragte er nach dem berühmten Prozeß und wie die Herren in den roten Roben die Sache sähen?
»Sire«, sagte ich, »um das Wie und Warum dieses Prozesses zu verstehen, dachte ich mir, wäre es das beste, erst einmal die Gesellschaft kennenzulernen, um die es geht, weshalb ich denn eine ganze Reihe Erkundigungen über sie einzog.«
»Das war gut gedacht, Graubart«, sagte lächelnd der König. »Rechtes Verstehen setzt rechte Kenntnis voraus. Alsdann, berichte!«
Was ich tat, indem ich alles aufführte, was der Leser schon kennt, auch die stolze Gewißheit des Paters Guignard, den Aufschub des Prozesses betreffend.
»Und woher weißt du, Graubart«, fragte der König, »daß Guignard sich derweise geäußert hat?«
»Von der Frau Herzogin von Guise.«
»Ah!« sagte der König und sah mich lauernd von der Seite an. »Siehst du meine Cousine Catherine öfters?«
Diese scheinbar harmlose Frage traf mich nicht unvorbereitet, Pierre de Lugoli hatte
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