Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
entgegnete ich nicht ohne Glut, »wenn die Jesuiten im Land bleiben, lauft Ihr tödliche Gefahr. Die könnt Ihr doch nicht unterschätzen.«
»Davon ist keine Rede, Graubart. Aber diese Gefahr ist auch nicht schlimmer als die tagtägliche im Krieg, und den führe ich nun seit zwanzig Jahren wie eine Schildkröte in meinem Panzer. Graubart, ich stehe wie jeder andere in Gottes Hand. Er hat mich bis hierher vor schwersten Heimtücken bewahrt, er wird mich noch ein bißchen weiter beschützen, wenn es sein Wille ist. Gute Nacht, Graubart! Mich schläfert’s.«
Ja, so sagte er, und nach so vielen Jahren noch kann ich mich seiner Worte nicht erinnern, ohne daß es mir die Kehle zuschnürt. Was für ein Jammer, daß ein so schönes und reiches und den Franzosen so nützliches Leben in der Vollkraft seiner Mannesjahre gefällt worden ist!
Monsieur de Rosny geruhte, mich und Monsieur de La Surie am nächsten Tag zum Mittagessen einzuladen, und was ich ihm dabei über den Jesuitenprozeß und über dessen sehr wahrscheinliche Vertagung berichtete, schmetterte ihn nieder. Doch hatte er selbst den König zu einem entscheidenden Wort in dieser Sache zu bewegen versucht und war an denselben, an sich vorzüglichen, Gründen gescheitert, die der Leser kennt, so daß Rosny mich nur in meinem Eindruck bestätigen konnte, Seine Majestät werde von ihrem Standpunkt nicht weichen und nicht wanken.
Der König hätte mich gern dabehalten, doch hatte ich zwei Tage vor meinem Aufbruch von Paris einen Brief meines Verwalters erhalten, der mich zur Ernte auf meinem Gut Chêne Rogneux erwartete, weil er diese nicht ohne Schaden länger aufschieben könne. Diesen Brief zeigte ich Henri und erhielt Urlaub, zusammen mit einem guten Reisegeld, denn er hatte das Kronjuwel glücklich verkauft, was er mir aber unterm Siegel der Verschwiegenheit mitteilte, aus Furcht, denke ich, daß Gabrielle es erfahre oder daß womöglich Herr von O, wenn er davon Wind bekäme, ihm die versprochenen Gelder nicht schicken würde.
Zurück in Paris, verweilte ich jedoch noch vier Tage, denn, wie es in der Bibel steht, »ein jegliches hat seine Zeit«, auch, was die Bibel allerdings nicht sagt, die Liebe. Erst auf ein zweites, dringlicheres Schreiben meines Verwalters löste ich mich aus den Armen meiner Circe und eilte nach Montfort l’Amaury, wo ich am späten Abend eintraf, müde, aber froh, wieder in meinem Landhaus zu sein, das meinen Mannesjahren das ist,was Mespech meiner Kindheit und Jugend war. Allein, ich fühlte mich seit der Entfremdung zwischen Angelina und mir dort nicht mehr so glücklich wie einst, denn war die Wunde mit der Zeit auch verheilt und die Bitterkeit freundlicheren Gefühlen gewichen, war doch die Narbe noch da und so empfindlich, daß ich es vermied, mit dem Finger daran zu rühren. Trotzdem und obwohl Angelina mir mit der Zeit eher Verwandte denn Gattin geworden ist, freue ich mich immer, sie und meine schönen Kinder wiederzusehen, die, Gott sei Dank, alle gesund und munter und tüchtig herangewachsen sind.
Während der ganzen Erntewochen mußten Monsieur de La Surie und ich mit dem Verwalter und meiner Eskorte ständig bewaffnet und zu Pferde von einem Feld zum anderen ziehen, um die Erntearbeiter vor den Überfällen von Räuberbanden zu schützen, die die bittere Not dieser Zeiten hervorgebracht hatte. Auch mußte ich bei jedem Feld einen berittenen Wächter postieren, auf daß er ins Horn stoße, um das Gros der Truppe zu Hilfe zu rufen, sowie am Horizont eine verdächtige Schar auftauchte.
Aus dem uns zunächst gelegenen Dorf Grosrouvre hatten so viele arme Leute meinen Verwalter um Erlaubnis ersucht, auf unseren abgeernteten Feldern zu stoppeln, daß er meinen Entscheid dazu hören wollte. Ich sagte, er solle sie auf unseren Gutshof bestellen, und staunte nun selbst, wie viele kamen, was schon an sich von der großen Not zeugte, in welche das Reich nach einem halben Jahrhundert Bürgerkrieg geraten war. Zuerst ließ ich alle mit Namen in eine Liste eintragen, dann sagte ich, wenn sie auf meinen Feldern und auf denen von Monsieur de La Surie stoppeln wollten, müßten sie es sich verdienen, dazu sollten sie die Felder vor der Ernte abwechselnd Tag und Nacht bewachen, mit Sicheln oder Forken bewaffnet, um die Räuber abzuwehren, und wenn ihrer zu viele kämen, mich durch einen Jungen benachrichtigen. Am Erntetag dann sollten sie, wenn sie hinter den Schnittern hergingen, ihr Gestoppeltes auf einen Karren laden, den ich ihnen
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