Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
er zur Tür hereingetreten war, umarmte ich ihn und führte ihn in den Saal, noch ehe er ein Wort sagen konnte. Und da ich ihn sehr ermattet sah, ließ ich einen Imbiß aus Käse und Schinken auftragen, über den er, weiß Gott, herfiel wie ein hungrigerWolf, war er doch seit zwei, drei Tagen galoppiert, fast ohne zu essen und zu schlafen, um ja rechtzeitig in Paris zu sein.
»Ha, Herr Marquis!« sagte er, »wie sehr es mich auch beschämt, hier mit vollen Backen zu kauen, bevor ich Euch eröffnet habe, welche wichtigen Angelegenheiten, Reims und den König betreffend, mich herführen, muß das arme Tier sich doch erst sättigen, wenn ich imstande sein will, einen klaren Gedanken zu fassen. Denn ehrlich gestanden, ich bin ganz gliederlahm und leer im Kopf.«
»Eßt, eßt, mein Freund«, sagte ich lächelnd, »und wenn Ihr wieder bei Kräften seid, höre ich Euch mit doppelter Aufmerksamkeit zu.«
Und, meiner Treu! nie sah ich einen Menschen so beherzt zulangen wie diesen Rousselet, höchstens den guten Poussevent, als wir im Wald von Laon die spanischen Karren erbeutet hatten. Voll Ergötzen sahen La Surie und ich in seinem breiten Mund riesige Bissen verschwinden, die er mit der Flasche Cahors-Wein netzte, die Franz ihm entkorkt hatte. Und besagter Franz brauchte mehr Zeit, den Schinken aufzuschneiden, als Rousselet, ihn zu verschlingen, er war jeweils um eine Scheibe im Rückstand. In der Zwischenzeit stopfte unser Reimser sich ein Ziegenkäschen nach dem anderen hinein und verdrückte derweise mindestens ein halbes Dutzend, als wär’s eine kleine Leckerei.
»Herr Marquis«, sagte er endlich, nachdem er sich Mund und Hände mit der Serviette geputzt hatte, die Franz ihm reichte, »allerbesten Dank für diese Labe, die mir gewissermaßen das Leben gerettet und mir wieder Blut in die Adern gepumpt hat. Herr Marquis, darf ich aber vorher fragen, ob die Verhandlungen zur Übergabe von Reims zwischen dem Herzog von Guise und den Bevollmächtigten des Königs zum Abschluß gelangt sind?«
»Bisher nicht, soweit ich weiß«, sagte ich vorsichtig, »doch nähert man sich dem Ende.«
»Ha!« sagte Rousselet und stieß einen großen Seufzer aus, »bin ich froh! Dann bin ich, Gott sei Dank, zur rechten Zeit gekommen! Herr Marquis, beliebt zu beachten, daß nicht allein ich, Rousselet, Stadtleutnant von Reims, zu Euch spreche, sondern alle Reimser Bürger, die mich zu Euch senden, um Euch dies zu sagen: Die Stadt ist es seit langen Monaten leid, diefriedlose Herrschaft der lothringischen Fürsten zu ertragen und wider Willen der Liga unterstellt zu sein, denn wir wissen, solange wir diesem Lager zugerechnet werden, können wir unsere Wolle nicht nach Paris verkaufen wie ehedem – was für die Stadt ein großer Jammer und Schaden ist und ihr Verderb –, und deshalb will sie, über den Kopf des kleinen Herzogs von Guise hinweg, sich dem König ergeben, wovon sie sich nicht nur ein Wiederaufleben von Handel und Wandel erhofft, sondern auch die Sicherheiten, Rechte und Freiheiten, welche der König all den Städten, die sich ihm unterwerfen, großzügig gewährt.«
Worauf Miroul und ich einverständige Blicke wechselten, belustigt, wie naiv die Reimser ihre Gründe aussprachen und wie spät sie sich auf ihren Nutzen besannen.
»Mein lieber Rousselet«, sagte ich, »um nicht hinterm Berge zu halten, es kann zwischen Wollen und Können manchmal ein Abgrund klaffen. Ich bezweifle durchaus nicht, daß Ihr Euch dem König als gute und loyale Untertanen ergeben wollt, die Ihr von jeher wart (wobei ich Miroul zublinzelte). Aber könnt Ihr es? Das ist der Punkt. Immerhin hat der Herzog von Guise eine Truppe.«
»Aber klein!« sagte Rousselet, »klein! Zu klein gegen ein ganzes Volk unter Waffen. Denn wißt, Herr Marquis, wir haben Tag und Nacht Wachkorps an den großen Plätzen, den Toren und auf den Wällen stehen. Herr von Guise hat es uns verbieten wollen, aber deshalb pißt er auch nicht steiler. Wir haben uns darüber hinweggesetzt, wir haben uns sogar geweigert, Truppen in die Stadt zu lassen, die er zu seiner Verstärkung kommen ließ. Ja, so steht es, und aufs erste Wort des Königs, das von ihm unterzeichnet ist und gesiegelt, mit besagten Zusagen an die Stadt Reims, sind wir bereit (hier blinzelte ich Miroul wieder zu), Herrn von Guise zu zwingen, daß er sich dem König unterwirft, oder aber uns seiner Person zu bemächtigen.«
»Alles schön und gut, mein Freund!« sagte ich. »Und ich habe Euch zu Reims auch
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