Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
einmal kreuzen sollten.
Den König sah ich kurz nach der Ausreise der Jesuiten, wie üblich um Mitternacht. Nun, als ich das große Gemach betrat, wirkte er durchaus nicht so vergnügt und fröhlich wie sonst, und ich erlaubte mir zu sagen, daß er keine allzu glückliche Miene mache.
»Glücklich, Graubart?« rief er mit Vehemenz, »bei einem Volk, das so undankbar ist gegen seinen König? Tue ich nicht ihm zuliebe, was ich kann, und trotzdem veranstaltet es mir alle Tage neue Attentate! Sankt Grises Bauch! Seit ich wieder in Paris bin, ist von nichts anderem die Rede!«
»Sire«, sagte ich, »aber das Volk liebt Euch. Letzten Donnerstag, als Ihr in Eurer Karosse nach Notre-Dame fuhrt, hat es Euch zugejubelt, daß es jedermann nur so in den Ohren dröhnte.«
»Bah!« sagte Henri mit traurig versonnener Miene, indem er über das kleine schwarze Pflaster auf seiner Oberlippe strich, »wäre mein ärgster Feind mit Pomp und Karosse vorgefahren – es hätte ihm genauso zugejubelt. Ach, Graubart!« fuhr er seufzend fort, und in seinen sonst so geistsprühenden Augen war eine Müdigkeit, die mich frappierte, denn zum ersten und einzigen Mal las ich darin einen deutlichen Überdruß an seinen Untertanen und am Leben, »das Volk ist ein blödes Tier, vor allem das von Paris. Das geht jedem Bauernfänger und Scharlatan auf den Leim. Du hast es doch während der Belagerung gesehen!«
»Sire«, sagte ich, »das Volk ist Euch dankbar, daß Ihr ihm Frieden gebracht habt.«
»Wenn es darum geht«, sagte er, jäh in die alte Witzelei verfallend, »den hat es die längste Zeit gehabt: Morgen lasse ich in Paris ausrufen und anschlagen, daß ich Spanien den Krieg erkläre.«
»Ha, Sire!« rief ich, »das ist ein großer Entschluß! Endlich kann Philipp in diesem tückischen, erklärten Krieg gegen uns nicht mehr fortfahren, ohne daß Ihr ihm heimzahlt, was er Frankreich angetan hat, Heinrich III. und Euch! Bitte, rechnet mich zu den ersten Edelleuten, die sich rühmen dürfen, an Eurer Seite zu kämpfen!«
»Nein, nein, nein, Graubart!« sagte Henri, der mich noch immer so nannte, obwohl mein Kaufmannsvollbart längst wieder dem zierlichen Kinnbart des Edelmanns gewichen war. »Ich weiß wohl, du bist tapfer, und das wissen alle, die dich bei Ivry und bei Laon kämpfen sahen. Aber du bist mir zu kostbar, als daß ich dein Leben zwischen Schwert und Pike aufs Spiel setzte.«
»Sire«, sagte ich, »wer setzt sein Leben im Waffengeklirr denn aufs Spiel wie Ihr?«
»Das ist was anderes. Ich muß meinem Adel ein Beispiel geben, ich bin sein Anführer. Aber was dich angeht, Graubart, wenn du dich für mich schlägst, dann diesmal nicht gegen Gepanzerte, sondern gegen Roben.«
»Roben, Sire?«
»Roben, ja. Schwarze, violette, purpurne, weiße, was weiß ich!«
»Gegen Soutanen, Sire?«
»Gegen Soutanen, in Rom!« sagte er und lachte hellauf, weil ich so schwer von Begriff war. »Ha, Graubart!« fuhr er fort, indem er abermals nach dem schwarzen Pflaster griff, vielleicht weil die Wunde ihn juckte oder störte, »es tut mir ja sehr leid, dich deinem häuslichen Glück (bei dem Wort »häuslich« grinste er) auf lange zu entreißen.«
»Auf lange, Sire?«
»In Rom«, versetzte er seufzend, aber diesmal eher scherzend denn aus Melancholie, »in Rom dauert alles lange; alles unterliegt unzähligen Regeln, alles geht im Schneckengang, Schrittchen für Schrittchen. Als ich den Plan faßte, mich zu bekehren, schickte ich den Marquis de Pisany nach Rom. Aber er kam gar nicht bis dorthin, der Papst verbot ihm, von Florenz weiterzureisen, und wollte meinen Gesandten auf keinen Fall empfangen. Dann machten meine Bischöfe mich zum Katholiken, und ich schickte den Herzog von Nevers nach Rom, der zuerst übel behandelt, aber dann immerhin empfangen wurde, allerdings – als Herzog von Nevers, nicht als mein Gesandter, da staunst du, was, Graubart? Und von Absolution keine Rede! Dank dem Abbé d’Ossat schließlich – der ein echter Franzose ist, meine bienenfleißigste Biene in Rom und unermüdlich am Werk für den Erfolg meiner Sache – näherten wir uns langsam dem Ziel, und ich war im Begriff, Monseigneur Du Perron zu Seiner Heiligkeit zu entsenden, diesmal mit guten Aussichten, daß meine Bekehrung anerkannt würde, da zwingt mich das Messer des kleinen Chatel – ich sage ausdrücklich, zwingt mich –, die Jesuiten zu verbannen! Sankt Grises Bauch! Was für ein schwankender Grund ist der Vatikan!«
»Ich wette«, sagte ich,
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