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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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»daß der Papst schäumt.«
    »Viel schlimmer«, sagte Henri mit feinem Lächeln, »er weint. Der Himmel hat Clemens VIII. die Gabe verliehen zu weinen.«
    Worauf ich im stillen lächeln mußte, war diese Gabe Henri doch selbst nicht fremd.
    »Sire, ist demnach alles verloren?«
    »Nein, nein. D’Ossat versichert mir das Gegenteil. Aber um nicht all meine Eier in denselben Korb zu legen, brauche ich eine zweite Sicherheit, ehe ich Monseigneur Du Perron nach Rom schicke.«
    »Was kann ich dazu tun, Sire? Wie ich höre, ist der Abbéd’Ossat ein großer Diplomat, dem Reich treu ergeben und bestens eingeführt beim Papst.«
    »Aber er ist ein Kirchenmann und seiner Kirche ebenfalls treu ergeben. Und obwohl es für mein Gefühl«, fuhr Henri lächelnd fort, »ebensosehr das Interesse der Kirche wie mein eigenes ist, daß das verlorene Lamm in den Pferch heimkehrt, zumal besagtes Lamm Herr eines mächtigen Reiches ist, könnte es doch sein, daß d’Ossat glaubt, was er glauben möchte, und sich über meine Chancen täuscht. Du bist kein Kirchenmann und wirst die Dinge klarer sehen.«
    »Sire, darf ich Euch schreiben?«
    »Nicht eine Zeile. Du schickst mir Monsieur de La Surie, und das Ganze läuft zwischen uns rein mündlich ab. Du wirst auch nur einen Brief von Königin Louise an den Abbé d’Ossat mit auf die Reise nehmen.«
    »Von Königin Louise?« fragte ich verwundert.
    »Du mußt wissen, Graubart, daß Königin Louise seit dem Tod Heinrichs III. beim Papst um die Rehabilitierung ihres seligen Gemahls nachkommt, weil seine Seele immer noch der päpstlichen Exkommunikation unterliegt. Von außen betrachtet, vertritt Abbé d’Ossat zu Rom lediglich die Interessen der Königin. Mit den meinen«, fuhr er mit verschwörerischem Lächeln fort, »hat der Abbé überhaupt nichts zu tun. Deshalb kann er den Papst so oft besuchen, wie er will, ohne bei den spanischen Kardinälen Verdacht zu erregen.«
    »Sire, das scheint mir eine sehr vatikanische List.«
    »Wofür du in Rom mehr als ein Beispiel finden wirst. Besagtes Rom ist nicht nur die Ewige Stadt, es ist auch der Ort, wo alle Listen der Welt versammelt sind. Du reist in drei Tagen«, setzte er in befehlendem Ton hinzu, »mit La Surie, der Eskorte von Quéribus und einem Wegegeld aus meiner Schatulle. Gute Nacht, Graubart.«
    Und glaubst du es, Leser? Ich war ganz enttäuscht, daß er diesmal nicht hinzusetzte: »Mich schläfert«, so sehr gehörte dieser Ausdruck für mich zu ihm.
    Mehr denn je schwirrte mir der Kopf, als ich mit meiner Suite heimkehrte ins Champ Fleuri und mich zu meinem vor Neugier brennenden Miroul und zu meinem Nachtmahl setzte. Zunächst beschränkte ich mich, während ich heißhungrig zulangte, aber auf die Mitteilung, daß die Lippe des Königs zwarnoch gepflastert, aber bereits abgeschwollen sei und daß er seine Gabrielle in einer Woche wieder küssen könne.
    »Das freut mich«, sagte Miroul und saß wie auf glühenden Kohlen.
    Worauf ich die Augen senkte und wortlos fortfuhr zu essen und zu trinken. Und Miroul seufzte.
    »Sagtest du etwas, mein Miroul?« fragte ich scheinheilig.
    »Niente
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«
, erwiderte Miroul mit zusammengebissenen Zähnen.
    »Miroul«, fuhr ich fort, indem ich aufstand, »ich gehe jetzt schlafen. Ich bin sehr müde. Gute Nacht, mein Miroul.«
    »Gute Nacht, mein Pierre«, sagte er, auch aufstehend, mit ganz zerknittertem Gesicht.
    »Mich erwartet ein anstrengender Tag«, sagte ich. »Hilfst du mir morgen, meine Siebensachen zu packen, Miroul? Ich reise in drei Tagen nach Rom.«
    »Nach Rom!«
    »Ja!«
    »Allein?« rief er mit so untröstlicher Miene, daß ich mich schämte, ihn so lange auf dem Rost geschmort zu haben.
    »Wieso allein?« entgegnete ich wie stutzend, »habe ich allein gesagt? Ist es nicht selbstverständlich, daß du mitkommst?«
    »Ha, mein Pierre!« rief er halb grimmig, halb entzückt, »wie kannst du mich dermaßen zwiebeln! Warum hast du das nicht gleich gesagt?«
    »Warum hast nicht gleich gefragt?« versetzte ich und wandte mich zur Wendeltreppe, hinauf nach meinem Zimmer.
    Doch er folgte mir und preßte mich schamlos aus mit seinen Fragen, die ich, während ich ins Bett kroch, sämtlich beantwortete, so müde ich auch war, tanzte doch in seinen zwiefarbenen Augen die helle Freude, daß wir beide so bald in die weite Welt galoppieren sollten.
    Dennoch, glauben Sie, schöne Leserin, ich wäre gleich eingeschlafen, als Miroul gegangen war? Ganz und gar nicht. Der Gedanke, den ich seit meinem

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