Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Gezeter begann, kaum daß ich eintrat. Der Herr Kanzler Cheverny sah mich strafend an und klopfte mit zwei Fingern auf den Tisch.
›Monsieur‹, sagte er, ›Ihr laßt sehr auf Euch warten! Zweimal habe ich Euch einen Diener geschickt! Der König schreibt aus Amiens Briefe, die um nichts als Geld schreien, und Ihr, den der König für seinen eifrigsten Geldbeschaffer hält, erlaubt Euch, hier als letzter zu erscheinen!‹
›Monsieur‹, sagte ich, gelinde empört über seine Sprache und Fingerklopferei, ›obwohl ich als letzter komme, bin ich doch nicht untätig. Ich habe heute morgen Geschäfte über sechzigtausend Ecus abgeschlossen.‹
›Was heißt denn das?‹ sagte Monsieur de Fresnes, ›unsere Geschäfte sind den Euren über! Wir haben heute morgen Ämter für fünfundsiebzigtausend Ecus verkauft, und das Ganze in barer Münze.‹
›Was für Ämter, Monsieur?‹ frage ich.
›Die Gesamtheit der Ämter von Tours und Orléans‹, sagt prahlerisch Kanzler Cheverny, ›wir haben Maître Robin aus Tours die Pacht für besagte fünfundsiebzigtausend Ecus überlassen.‹
›Hoho, Monsieur!‹ sage ich und sehe ihm scharf in die Augen. ›Ich sehe schon, wie hier der Hase läuft! Hätt ich die Handschuhe genommen, hätten andere sie nicht bekommen! … Aber hier geht es um eine für Frankreich so wichtige Belagerung, bei welcher der König tagtäglich sein Leben riskiert, daß ich meine, es wird nichts weggegeben zum Schleuderpreis.‹
›Monsieur‹, sagte etwas erblassend Kanzler Cheverny, ›was meint Ihr mit diesen Handschuhen?‹
›Damit meine ich, Monsieur, daß ich bereits abgelehnt hatte, was dieser Robin danach Euch zuschob, weil ich besagte Ämter nämlich für eine Gesamtsumme zu verkaufen hoffe, die fast das Doppelte seines Angebots ausmacht.‹
›Aber das ist nur eine Hoffnung!‹ sagt Monsieur de Fresnes, sauer wie eine Zitrone. ›Und die ist mehr als fraglich. Wir werden ja sehen, ob der Rat sich an das hält, was er beschlossen hat, oder ob wir unseren Beschluß durch einen einzelnen ändern lassen.‹
»Worauf«, fuhr Rosny in seiner Erzählung fort, »jener einzelne, von dem die Rede war, aufstand, den Herren vom Rat seinen Gruß entbot und ging, und alle schauten baff. Und Ihr werdet sehen, Siorac, es wird nicht lange dauern, dann geht das Spiel in die nächste Runde. In Wahrheit will der Rat nämlich nicht, daß ich die Ämter ohne ihn verkaufe, weil einige der Herren sich daran gesundstoßen wollen, wie sie es immer gemacht haben. Aber ohne mich! Der König hat mir seine Finanzen anvertraut, und da wird kein Ecu sich in andere Taschen verirren und kein Diamant an einen fetten Busen.«
Er hatte kaum geendigt, als sein Majordomus ihm den Sekretär Fayet meldete.
»Siorac«, sagte Rosny, »tut mir den Gefallen, geht in das Kabinett nebenan, und laßt die Tür angelehnt, damit Ihr mit eigenen Ohren hört, was hier gesprochen wird.«
Der Sekretär Fayet, den ich gut kannte, war so dünn, daß ein Windstoß ihn umpusten konnte, er hatte ein hageres Gesicht wie ein Dreieck, spärliche graue Haare, eine Fistelstimme und einen komischen Gang mit zusammengekniffenen Hinterbacken, als wäre er schwul. War er aber nicht, denn er hatte zehn Kinder gezeugt, mit drei Ehefrauen nacheinander.
»Monsieur de Rosny«, sagte er mit seiner Falsettstimme, »der Königliche Rat schickt mich zu Euch, damit Ihr, wie die anderenMitglieder des Rates, die Urkunden unterschreibt, die Maître Robin die Pacht der Ämter von Tours und Orléans zuerteilen.«
»Ohne mich!« sagte Rosny.
»Wie, ohne Euch?« fragte Fayet, Augen und Mund groß aufgesperrt. »Was soll das? Was soll das? Monsieur, wollt Ihr damit sagen, daß Ihr die Urkunden nicht unterschreibt?«
»Ihr habt mich recht verstanden.«
»Aber Monsieur, der Akt wird nicht gültig, wenn Ihr nicht unterschreibt.«
»Dann wird er eben nicht gültig.«
»Monsieur, mit Verlaub, aber Ihr verstoßt gegen die Formen.«
»Dann verstoße ich eben.«
»Monsieur, was wird der König dazu sagen?«
»Genau das frage ich ihn«, sagte Rosny, »und zwar in einem Brief, den ich ihm in dieser Sache soeben geschrieben habe.«
»Hoho! Monsieur!« rief Fayet, und seine Stimme schrillte, »solltet Ihr Seiner Majestät einen Brief geschrieben haben, der den anderen Ratsmitgliedern schaden kann?«
»Je nachdem.«
»Monsieur! Monsieur!« rief Fayet, mit den knochigen Händen fuchtelnd, »wäre es nicht gerecht, wenn besagte Mitglieder den Inhalt dieses Briefes
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