Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
– obwohl ich mir sicher bin, daß Louison hinter der eilends geschlossenen Tür stehenblieb und lauschte.
Mich ergötzte die kleine Szene im stillen, rief sie mir doch ins Gedächtnis, wie es zwischen meiner Mutter, der geborenen Caumont, und ihrer Kammerfrau Cathau zuging. Und um mir das Lachen zu verbeißen, das unwillkürlich um meine Mundwinkel zuckte, ging ich den kleinen rotgoldenen Pantoffel aufheben, der vor die von Louison geschlossene Tür gefallen war, und indem ich ihn aufhob, klopfte ich mit dem Zeigefinger wie aus Versehen an die Tür, um der Kleinen zu zeigen, daß ich wußte, wo sich ihr hübsches Ohr befand.
»Hole die Pest dieses Luder! Meiner Treu! Morgen, das steht fest, schicke ich sie zurück in ihr lausiges Dorf!«
»Ah, Madame!« sagte ich ziemlich laut, »ich flehe Euch an, tut es nicht! Louison hat gesprochen, wie sie es versteht, aber ohne List und Tücke! Außerdem liebt sie Euch und pries mir ausgiebig Eure Schönheit, als sie mich zu Euch führte.«
Worauf ich mich ihr unter dem Vorwand, ihr den Pantoffel wiederzugeben, näherte, so daß mein Bart ihren Busen streifte, und leise sagte: »Madame, hütet Euch, sie wegzuschicken. Das Mädchen könnte Monsieur de Saint-Paul meinen Besuch und meine Unterhaltung mit Euch ausplaudern!«
Sei es vor Schreck über meine Worte, sei es, weil die scheinheilige Berührung meines Schnurrbarts sie erregt hatte, jedenfalls schlug Madame de Saint-Paul mit den Wimpern, nickte eifrig und schwieg, ein Schweigen, das mich, weil die Tür Ohren hatte, zu gefährlich dünkte, um es währen zu lassen.
»Madame«, sagte ich, »da Ihr durch meine Schuld ohne Kammerfrau seid, erlaubt, daß ich deren Amt übernehme und Euch beschuhe.«
Worauf sie wiederum zustimmend nickte, zu erregt noch, um sprechen zu können. Und du kannst dir denken, Leser, daß ich, als ich vor ihr niederkniete, mir alle Zeit ließ, die Pantoffeln an ihre Füße zu stecken, die ich streichelte, küßte und innigst knetete unter der Ausrede, sie wärmen zu müssen.
»Jetzt sind sie warm genug«, sagte endlich Madame de Saint-Paul, der es nicht an Witz fehlte. »Marquis, steht auf, setzt Euch hier auf den Schemel und beliebt mir zu erklären, warum Ihr soviel wagt, um zu fliehen?«
»Madame«, sagte ich, »sollen wir tatenlos hinnehmen, daß Monsieur de Saint-Paul uns in seinem Haus gefangenhält, obwohl wir herkamen, um den Herrn Herzog von Guise zu besuchen?«
»Auch ich bin Gefangene!« sagte Madame de Saint-Paul mit Bitterkeit. »Und das seit dem Tag, an dem ich von meinem Vater zur Ehe mit diesem Finsterling gezwungen wurde, ein Tyrannentausch, der Vater gegen den Gatten. Inzwischen ist mein Vater, der mein Unglück anrichtete, gestorben. Ich habe sein beträchtliches Vermögen geerbt, da liegt es, in jener Schatulle«, sagte sie, indem sie mit der Hand auf eine kleine, polierte Truhe mit Silberbeschlag wies. »Aber ich darf nicht einen Sou davon anrühren, nicht einmal für meinen Putz, weil Monsieur de Saint-Paul sich die Verfügung vorbehält. Ich weiß nicht, ob er eifersüchtiger auf mich oder auf dieses Kästchen ist, verbringt er doch, wenn er einmal kommt, mehr Zeit damit, meine Taler zu zählen, als mich zu liebkosen, was übrigens kein großer Verlust ist, denn er macht alles wie ein Bauernrüpel. Vor Widerwillen und Verzweiflung wollte ich schließlich aus diesem Kerker fliehen und benutzte seinen Schlaf, in den er einmal nach übermäßigem Weingenuß gefallen war, tastete ihn ab und stahl ihm den Schlüssel, den er beim Erwachen vergebens suchte, denn ich hatte ihn in das kleine Satinkissen gesteckt, das Ihr auf meiner Liegebank seht. Und kaum war er fort, holte ich den Schlüssel hervor und probierte ihn an der kleinen Tür zur Wendeltreppe: Aber er paßte nicht!«
»Madame«, sagte ich, und mir klopfte das Herz bei dieser Neuigkeit wie toll, »vielleicht paßte er nicht, weil er zu einer anderen Tür paßt, der, die auf die Gasse führt. In dem Fall, Madame«, setzte ich atemlos hinzu, »sind wir vielleicht gerettet, denn ich habe den Etagenschlüssel und Ihr den zum Hinterausgang.«
»Vielleicht seid dann
Ihr
gerettet, Monsieur«, sagte Madame de Saint-Paul frostig, »aber ich wäre doch töricht, wenn ich ohne diese kleine Schatulle fliehen würde, die all mein Vermögen enthält. Und wie soll ich sie mitnehmen ohne meine Kutsche undmeine Pferde, die von spanischen Arkebusieren bewacht werden? Wie soll ich ohne starke Eskorte nach Paris kommen? Wie mich gegen
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