Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
ja! Und der Leichnam meines geliebten Mannes bleibt nackt und bloß auf dem Pflaster liegen!« sagte sie, die Augen gen Himmel gekehrt.
»Madame«, sagte ich, »Ihr scheint Euren Gemahl, nun, da er tot ist, mehr zu lieben, als da er lebte. Aber seinethalben dürft Ihr beruhigt sein. Der Herzog hat befohlen, ihn in einen Sarg zu betten und würdig in die Stadt zu überführen, die Ihr für Euren Rückzug wählt.«
»Was ja wohl auch das mindeste ist, scheint mir«, entgegnete sie mit Schärfe, »was Ihr nach Eurem feigen Mord tun konntet.«
»Madame!« schrie ich entrüstet, »ich habe an diesem Mord keinen Teil.«
»Aber damit einverstanden wart Ihr.«
»Madame«, sagte ich wütend, »nicht mehr und nicht weniger als Ihr, die Ihr sehr wohl wußtet, auf welcher Seite ich stehe, als Ihr mir den Schlüssel gabt, der die Tür meines Kerkers öffnete und mir erlaubte, alles zu tun, um Reims, Herrn von Guise und Euch von einem Tyrannen zu befreien.«
»Ha, Monsieur!« rief sie aufgebracht, »beschimpft nicht einen Toten!«
»Einen Toten«, sagte ich zähneknirschend, »den Ihr gestern in meinem Beisein ›einen unheilvollen Rüpel‹ nanntet. Aber, Madame, ich sehe schon, Worte verwehen, und die Euren entschweben so leicht, daß Ihr sie von einem Tag auf den anderen vergeßt, wie übrigens Eure zärtliche Freundschaft, Eure betörenden Blicke, Euren Händedruck … Gut denn, wir sind quitt. Morgen früh werde ich Euch, wie versprochen, ohne Euch mehr als nötig zu sehen oder anzusprechen, dorthin geleiten, wohin Ihr wollt.«
»Nach Mézières«, sagte sie kühl.
»So, nach Mézières. Weil dort eine Zitadelle Eures geliebten Verstorbenen ist. Aber, Madame«, fuhr ich fort, »erlaubt mir einen Rat: Wenn der König Laon nimmt, wird der Herzog von Guise mit ihm die Übergabe von Reims verhandeln müssen, und ist Reims einmal übergeben, Madame, und mit Reims die Champagne, was wird dann aus Mézières, wenn Ihr meinem Herrn die Stadt nicht beizeiten aus eigenen Stücken übergebt?«
»Monsieur, ich überlege es mir«, sagte Madame de Saint-Paul.
»Dann überlegt schnell, Madame. Was mich betrifft, so wäre ich nicht abgeneigt, würde der König mir den Befehl erteilen, Mézières im Sturmangriff zu nehmen.«
Nach diesem Partherpfeil verließ ich zähneknirschend und mit geballten Fäusten die Füchsin, ohne ein Aufwiedersehen, ohne einen Gruß und so von Zorn übermannt, daß ich kaum des Gebrauchs meiner Augen mächtig war, um aus dem Gemach herauszufinden. Stampfenden Schrittes eilte ich durch den dunklen Gang der Etagentür zu, da hörte ich eilige Schritte hinter mir, und als ich mich jäh, mit gezückten Dolchen, umwandte, stand ich Louison gegenüber, die mich in ihre Kammer zog.
VIERTES KAPITEL
Getreu meinem Versprechen und mit zusammengebissenen Zähnen eskortierte ich die Dame am nächsten Morgen nach Mézières, und obwohl die Heuchlerin ein ums andere Mal die süße Huld am Kutschenfenster spielte, gönnte ich ihr kein Wort, keinen Blick, nicht einmal einen Abschiedsgruß, als ich vor den Stadtmauern kehrtum befahl; ich dachte nicht daran, auch nur eine Zehenspitze in die Höhle zu setzen, wo diese Schlange künftighin über ihre Schatulle zu wachen gedachte.
Weil ich nun in Laon, das der König weiterhin belagerte, nicht mit einem Frauenzimmer im Gefolge erscheinen wollte, beschloß ich, erst einmal nach Paris zu gehen. Kaum jedoch hatten wir in meinem Hause im Champ Fleuri Platz genommen, um einen Schluck zu trinken und einen Bissen zu essen, stutzte meine quicke, kleine Guillemette, als sie meiner Louison ansichtig wurde.
»Wer ist das?« fragte sie mit gerümpftem Mäulchen.
»Du siehst doch«, sage ich, »ein Frauenzimmer.«
»Und woher?«
»Aus Reims. Ich habe sie mitgebracht. Sie ist meine Kammerjungfer.«
»Von wegen«, sagt Guillemette, »Eure Hure ist sie.«
»Guillemette«, sage ich, »noch ein Wort, und ich lasse dir vor der versammelten Eskorte den blanken Hintern versohlen.«
»Gnädiger Herr, beliebt mich zu entschuldigen: Es ist keine Hure. Es ist ein Luder.«
»Was erlaubst du dir!« schrie ich wütend.
»Bitte um Vergebung, gnädiger Herr. Es ist kein Luder, ein dreckiges Aas ist das.«
»Guillemette, beim Ochsenhorn!«
»Wahr und wahrhaftig, Monsieur, Ihr müßt nicht recht bei Troste sein, Euren Rüssel in so einen fetten, stinkenden Misthaufen zu stecken.«
»Gnädiger Herr«, sagte jetzt Louison, einen Kopf größer alsGuillemette, nachdem sie deren Sturmfeuer
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