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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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täglichen Leben mit mir, die immerhin sehr wohlgeboren ist – bin ich doch die Base eines spanischen Granden –, schient Ihr niemals auch nur den kleinsten Unterschied zwischen mir und Eurer letzten Magd zu machen. Wenn man boshaft sein wollte, könnte man sagen, Ihr strahlt für jede Weibsperson gleichermaßen wie die Sonne. Wem aber eine erhabenere Seele zu eigen ist, wie könnte dem an einer Liebe gelegen sein, der alles recht kommt, was in der Welt einen Unterrock trägt?
    Nach dem Friedensschluß konnte ich mich einer kleinen Erbschaft versichern, die mir die Heimkehr nach Spanien erlaubt. Und da ich nicht das Gefühl habe, Euch künftighin irgend von Nutzen zu sein, außer ein gemietetes Haus zu unterhalten, wo Monsieur de l’Etoile seinen schamlosen Gepflogenheiten nachgeht, gestatte ich mir, von Euch Abschied zu nehmen mit unendlichem Dank für die wunderbare Güte, mit welcher Ihr mir das Leben gerettet und erhalten habt. Welches sich indessen sehr verdüstern könnte, wenn ich bliebe, bin ich doch überaus enttäuscht und abgestoßen von Euren Lügen, Eurer Kälte und Eurem Fernsein. Und da der Entschluß nun gefaßt ist, kann ich Euch nur mehr auf immer Lebewohl sagen, nun, da ich endlich erwacht bin aus dem seltsamen Traum, der mich hatte hoffen lassen, Euch, Monsieur, bis ans Ende der Zeiten
    Eure anhängliche und ergebene Dienerin zu sein.
    Doña Clara Delfin de Lorca
    »Nun, Miroul«, sagte ich, »was hältst du von diesem gepfefferten Hühnerbraten?«
    Worauf Miroul das Briefchen unter mehrmaligem Schmunzeln las.
    »Schonkost ist es nicht«, meinte er.
    »Findest du es nicht merkwürdig«, sagte ich, »daß sie l’Etoile zweimal wegen seines Verhältnisses mit Lisette verklagt, obwohl sie sich mit mir das gleiche erhoffte?«
    »Was ist daran merkwürdig?« sagte Miroul. »Fremde Sünden lasten auf der Seele schwerer als eigene. Aber was ist denn, mein Pierre? Ihr macht eine klägliche Miene: Geht Euch Doña Claras Abschied so nahe?«
    »Ich weiß nicht. Halb erleichtert er mich, halb schmerzt er mich. Ich hatte Doña Clara ziemlich gern. Sie war schön, und ihre Tugenden flößten mir Respekt ein, obwohl sie, entgegen dem, was sie von den meinen sagt, zumeist nicht sehr liebenswert waren. Doch wenn ich es genau nehme, Miroul, war ich ihrer Haßliebe auch reichlich leid und vor allem ihrer Rechthaberei. Es war ja, als trüge sie ständig ein Tribunal mit sich herum, ihren Nächsten zu beurteilen und zu verdammen. Vermutlich stand ihr der Nächste gar nicht so nahe, wie es ihr die Religion befahl.«
    »Amen«, sagte Miroul. »Mein Pierre, was habt Ihr vor mit dem Haus in der Rue des Filles-Dieu, das nun leersteht?«
    »Ich behalte es und setze einen mir ergebenen Mann hinein.«
    »Nur damit Monsieur de l’Etoile es weiterhin bequem hat?« Miroul lächelte.
    »Das Haus liegt dicht an der Porte Saint-Denis, ich kann mich gegebenenfalls dort verstecken, in meine Verkleidung als Tuchhändler schlüpfen und die Hauptstadt unbemerkt verlassen.«
    »Wann gehen wir nach Laon zum König?«
    »Morgen vor Tag. Sag es unserer Eskorte und den Herren des guten Quéribus, damit sie ihn rechtzeitig wecken.«
    »Ich eile. Mein Pierre«, setzte er zwischen Tür und Angel hinzu, so daß seine Gestalt sich im Lichtschein zierlich und elegant abzeichnete, als wäre er immer noch zwanzig. »Bedau ert Ihr jetzt, nachdem Doña Clara fort ist, die Frucht nicht doch gepflückt zu haben, die Euch so leicht zugefallen wäre? Immerhin war sie sehr schön.«
    »Ach, Miroul, wozu es bedauern? Die Kastanie war gar zu stachelig.«
    »Offenbar meint Ihr wie Theokrit, man soll einer Kuh nicht nachlaufen, sondern die zunächst stehende melken?«
    »Pfui, Miroul! So von einer Frau zu reden!«
    »Ist es nicht trotzdem schade um eine verpaßte Gelegenheit?«
    »Damit ist das Leben gepflastert.«
    »Beim Ochsenhorn!« sagte lachend Miroul. »Das ist ein Gedanke! Der richtet den Menschen auf!«
    Ich entsinne mich, daß es schon dunkel war, als wir im Feldlager vor Laon eintrafen, und der erste, auf den ich dort stieß, war Monsieur de Rosny, der mich warmherziger als gewohnt begrüßte, fühlte er sich doch als der wichtigste Mann nach dem König, dem er freilich seit zwanzig Jahren hervorragend und ergeben diente.
    »Ha, Siorac!« sagte er, ohne mich jedoch zu umarmen, solche höfischen Liebenswürdigkeiten widerstrebten dem Hugenotten in ihm, »wie gut, daß Ihr kommt! Es heißt nämlich, daß Mayenne und Mansfeld mit seinen Spaniern

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