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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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man eine Kerze ausbläst. Ich konnte nur staunen, daß sein Körper ihm gehorchte wie der gehorsamste Untertan.
     
    Wenn ich zum Lobe Henri Quatres darlegen sollte, wodurch er sich in der Kriegführung auszeichnete, würde ich sagen, daß er vor allem überaus fleißig war und alles im Auge behielt. Nie gab er einen Befehl, dessen Ausführung er nicht überwachte. Er war immer für die unterschiedlichen Ansichten und Ratschläge seiner Feldmeister zugänglich, aber im gegebenen Augenblick entschied er, handelte ohne Zaudern, verlor vor Widrigkeiten nicht den Mut und legte in den schwierigsten Situationen eine unerschütterliche Siegeszuversicht an den Tag.
    Im Kampf gab er seiner Kavallerie den Löwenanteil, weil er wußte, daß sie besser war als die spanische, und stürmte mit einer draufgängerischen Verwegenheit voran, daß die Edelleute, die seinem Glück vertrauten, durch sein Beispiel zu größter Kühnheit mitgerissen wurden. Andererseits bewies er kühlen und klaren Kopf beim Einsatz seiner Kanonen und wußte sie bei Belagerungen wie in Schlachten hervorragend aufzustellen. In der Befestigungskunst, insonders bei der Umzingelung einer Stadt, war er, meine ich, unvergleichlich. Er lief sich die Füße wund, wie man sah, um von früh bis spät die Gräben zu kontrollieren, ließ hier vertiefen, dort Winkelungen verschärfen, ließ Wälle und Gegenwälle aufwerfen, Minen und Konterminen graben, Redouten zum Schutz der Batterien erhöhen, die Schießscharten genau berechnen, um seine Geschütze bestens auszurichten und dem Feind seine Überlegenheit vor Augen zu führen. Und schließlich, das sei als letztes gesagt, obgleich es nicht sein geringstes Verdienst war: So entschlossen und unnachgiebig er im Kampf war, so gnädig war erals Sieger. Immer war er zu Verhandlungen mit den Belagerten bereit, bot ihnen die mildesten Konditionen, ließ Hungerleidende abziehen – wie während der Pariser Belagerung –, und war die Stadt genommen, stellte er seine Soldaten unter strengen Befehl, um Raub, Mord und Vergewaltigung zu verhindern.
    Durch die mitunter unmäßige Freigebigkeit meines geliebten Herrn Heinrichs III. verwöhnt, fanden die Großen den Nachfolger geizig und undankbar. Ha, Leser, wie falsch das war und wie übelwillig! Henri streute das Geld tatsächlich nicht mit vollen Händen über seine unersättlichen Granden aus – ohnehin wurden sie desto aufsässiger, je mehr er ihnen bewilligte –, aber dafür gab er seinen Invaliden, zahlte ihnen Pensionen bis ans Lebensende, um sie dafür zu entschädigen, daß sie in seinem Dienst Arme oder Beine verloren hatten, und war überhaupt der um sein Volk am meisten besorgte König, den es je gab. Als Beispiel führe ich den wunderbaren Ausspruch an, den er am Abend nach der Schlacht von Ivry gegenüber einem Offizier tat, der ihn fragte, ob er denn nicht froh sei, die Liga geschlagen zu haben. Henri schüttelte traurig den Kopf.
    »Wie soll ich mich freuen«, sagte er, »wenn ich meine Untertanen tot auf dem Feld liegen sehe? Ich verliere doch mehr, als ich gewinne.«
    Wie sein Vorgänger exzellierte Henri in der Diplomatie, der offenen wie der geheimen. Erstere soll den Chronisten überlassen bleiben und jenen, die daran beteiligt waren. Die zweite darf ich nicht rühmen, ohne mir den Mund mit Eigenlob zu spülen. Dafür kann ich hier aber sagen, was ich noch nirgends gedruckt gefunden habe: Um sich über die Absichten des Feindes Klarheit zu verschaffen, verstand er es bewundernswert, sowohl Aufklärer als auch Spione einzusetzen.
    Da er wußte, daß Mayenne sein Lager bei La Fère aufgeschlagen hatte – die Stadt liegt einen halben Tagesritt von Laon entfernt –, zwang Henri seine Armeeführer, sosehr sie auch murrten, tägliche Kundschafterritte mit starken Reiterschwadronen in jene Richtung zu unternehmen. Mehr noch, um den Großen ein Beispiel zu geben, beteiligte er sich selbst an diesen täglichen Aufklärungen, um überraschenden Aktionen des Gegners zuvorzukommen. Auf diese Weise konnten wir zweimal ligistische Truppen zurückschlagen, die von La Fère ausversuchten, Männer, Lebensmittel und Munition nach Laon einzuschleusen.
    Was die Spione anging, verstand Henri es nicht nur sehr gut, geeignete Leute auszuwählen, er schickte auch mehrere oder wenigstens zwei an denselben Ort, ohne daß einer vom anderen wußte. Und wenn er sie bei ihrer Rückkehr getrennt voneinander anhörte, vermochte er ihre Aussagen vorzüglich abzuwägen, um das Falsche vom

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