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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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mit gekreuzten Armen und gleichmütigem Gesicht an sich hat abprallen lassen, »darf ich etwas fragen?«
    »Bitte, Louison.«
    »Seid Ihr mit dem Zwerg intim?«
    »Nein.«
    »Schwört Ihr’s bei der gebenedeiten Jungfrau?«
    »Bei der gebenedeiten Jungfrau und allen Heiligen.«
    »Dann ist die Sache klar.«
    Womit sie auf Guillemette zumarschierte und ihr links und rechts ein paar schallende und so kräftige Ohrfeigen verpaßte, daß die Kleine wie benommen zu Boden fiel. Da nahm Louison sie, als wär’s ein Packen Kleider, hievte sie sich über die Schulter und sagte in ruhigem Ton, sie wolle sie unter der Pumpe zu sich bringen.
    »Ha! Mein Pierre!« rief Miroul, der Tränen lachte, »wahr und wahrhaftig, die Reimserin fängt an, mir zu imponieren. Auch wenn du sie nicht dazu engagiert hast, wird die gute Louison unserem kleinen Pariser Spatzen doch einmal den frechen Schnabel stutzen. Was, Gott sei’s getrommelt, kein Schade wäre! Ihr vorlautes Mundwerk ging mir schon eine Weile auf die Nerven.«
    Trotzdem, wer weiß, wie das
cara a cara
unserer beiden Mägde geendet hätte, wären nicht auch noch Lisette und Héloïse dazugekommen, weil Doña Clara Delfin de Lorca mein Haus im Viertel Saint-Denis Hals über Kopf verlassen hatte, um nach Spanien heimzukehren. Die beiden hatten nicht allein und unbeschäftigt dort bleiben wollen und erboten sich, mit meiner Erlaubnis das Gesinde im Champ Fleuri noch ein bißchen zu mehren. Und samt ihren hübschen, fröhlichen Gesichtern brachten sie mir einen Brief von Doña Clara mit, der allerdings bei weitem nicht so hübsch war.
     
    Monsieur,
    ich werde Euch ewige Dankbarkeit dafür wissen, daß Ihr mein armes seliges Söhnchen und mich während der Pariser Belagerung bei Euch aufgenommen und, wenn es für mein Kind auch zu spät war, so doch mich vorm Hungertod bewahrt habt. Von meinen Landsleuten der Not meiner Witwenschaft preisgegeben, konnte ich nur dank Eurer sehr großmütigen und christlichen Gastfreundschaft in der Fremde überleben, was ichEuch zu vergelten bemüht war, indem ich trotz meines Ranges Eurer Wirtschaft und Eurem Gesinde vorstand. Dies wäre mir freilich besser gelungen, hättet Ihr selbst Euer Haus mit strafferer Hand geführt.
    Eure maßlose Duldsamkeit gegenüber Euren Leuten aber und insonders Euren Kammerfrauen, die unziemlichen Vertraulichkeiten, welche sie sich gegen Euch herausnehmen durften, Euer offenkundiges Einverständnis mit dem sündigen Verhältnis, welches die eine mit Monsieur de l’Etoile pflegte, kurzum, diese große Liebe, die Ihr ihnen (wie übrigens allen Frauen) ohne jeden Unterschied des Blutes, des Ranges wie auch des Bildungsstandes bezeigt, so daß die dummen Schnepfen ganz vernarrt in Euch sind, all das überzeugte mich schließlich, daß ich der Aufgabe, Eure Dinge in Ordnung zu halten, doch nicht gewachsen bin. Denn, wenn Ihr die Frage erlauben wollt, was kann aus einem Hausstand werden, wo der Herr von vornherein gesonnen ist, niemanden auszupeitschen, und sofern er einmal rügt, dies mit freundlichem Lächeln und nachsichtigen Blicken tut?
    Lächeln, Blicke, Komplimente – übertriebene, ehrlich gesagt – wurden auch mir reichlich zuteil, doch weil ich deren wahren Sinn anfangs mißverstand, faßte ich zu Euch eine außerordentliche Freundschaft, die allerdings nur grausam enttäuscht werden konnte, als Ihr Euch mit einemmal hinter der Treuepflicht zu Eurer Frau Gemahlin verschanztet, um Euch Banden zu verweigern, die zu erstreben Ihr mich doch sozusagen erst gelehrt hattet. Mehr noch, als Ihr Euer Haus im Champ Fleuri zurückbekamt, batet Ihr mich, in der Rue des Filles-Dieu wohnen zu bleiben, unter dem Vorwand, daß Eure Frau Gemahlin Euch in Eurem Stadthaus besuchen könnte.
    Diese Behauptung erwies sich leider als ebenso falsch und lügnerisch, das sage ich ganz unverhohlen, wie Eure eheliche Treue. Euer Gesinde ist nun einmal geschwätzig, und da es Eure beklagenswerten Laster mindestens ebensosehr bewundert wie Eure liebenswerten Tugenden, wie hätte ich da von all Euren Abenteuern nichts erfahren – in Paris mit der Montpensier, in Boulogne mit Alizon, mit Mylady Markby in Saint-Denis, mit Babille auf Mespech, mit Eurer »schönen Kaufmannswitwe« in Châteaudun! Wo vielleicht noch? In Reims? Da für Euch ja wohl an jegliche Stadt der Gedanke irgendeiner Liebeleigeknüpft sein muß! Denn für Euch, was ich abermals nur beklagen kann, ist es einerlei, ob Kammerjungfer, Bürgersfrau oder hohe Dame, und im

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