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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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uns in Kürze angreifen wollen, um uns zu schlagen oder wenigstens zur Aufgabe der Belagerung zu zwingen. Und, bei Sankt Antons Bauch! da kommen wackere Degen wie Ihr uns gerade recht. Ihr seid doch einverstanden, wieder unter mir zu kämpfen wie in der Schlacht von Ivry?«
    »Monsieur de Rosny«, sagte ich, »nichts wäre mir lieber, denn wie könnte ich je vergessen, welchen ruhmvollen Anteil Ihr an jenem Sieg hattet?« – ein Kompliment, das ihm geradewegs ins Herz ging, denn niemand am Hof war eitler als er (womit ich seine hohen Tugenden keineswegs schmälern will). »Aber, Monsieur de Rosny«, fuhr ich fort, »Ihr seht mich ein wenig betrübt, denn ich komme mit Neuigkeiten von Reims, kann sie aber dem König erst morgen vortragen, weil er längst schlafen wird.«
    »Das ist nicht gesagt«, versetzte lächelnd Rosny. »Der König ist Soldat und kann schlafen und wachen, wie er will. Es vergeht keine Nacht, ohne daß er mitten aus dem Schlaf aufspringt und zum soundsovielten Mal seine Gräben und Batterien visitieren geht.«
    Und so war es. Quéribus und ich hatten im Zelt kaum unser Mahl beendet, als durch die finstere Nacht ein Page gelaufen kam und mich zum König führte. Ich fand ihn im Begriff, sich niederzulegen, nachdem er eine Stunde zuvor schon einmal aufgestanden war, um einen Tunnelbau zu inspizieren, den er nur bei Nacht vorantreiben ließ, damit die Belagerten nicht sehen konnten, welche Erdmassen dort abgefahren wurden.
    »Ha, Graubart!« sagte er und gab mir die Hand zum Kuß, die wie üblich nach Knoblauch roch, »dein Kommen ist ein Lächeln Fortunas! Holla, Page, schnell ein Polster her! An mein Bett! Für den Marquis de Siorac.«
    Und nicht, daß besagtes Polster ein Luxus gewesen wäre, denn der Zeltboden war steinhart, und ohne das fest gestopfte Satinkissen hätten meine Knie ziemlich gelitten. Was aber sein Bett anging, so weiß der Leser ja schon, daß es nicht eben von königlicher Prunkliebe zeugte, da es aus zwei übereinandergelegten Strohsäcken bestand, die ein paar Bretter vor der Bodenfeuchte schützten.
    »Alsdann, Graubart«, fragte der König ohne Umschweife in seinem gewohnten frotzelnden Ton, »wie steht es mit meinem Cousin Herzog von Guise und mit Saint-Paul?«
    Ich trug mein Verslein also munter und bündig vor, wie er’s liebte, betonte aber gewisse Details, weil ich ihn durch meinen Korb bei Madame de Saint-Paul zu belustigen hoffte, was auch tatsächlich gelang.
    »Ach, Graubart«, sagte er, »tröste dich mit dem Gedanken, daß es mit dieser Art Krieg dasselbe ist wie mit dem anderen: Immer kann man nicht siegen, oft genug verliert man sogar, denn man hat es mit einem Gegner zu tun, der sich das Recht herausnimmt, seine Versprechen nicht zu halten, die er auch gar nicht schriftlich gibt, nicht einmal mit klaren Worten, sondern nur durch einen Blick, ein Lächeln, einen Wimpernschlag – und nachher kann er den Sinn, den unsereins daraus gelesen hat, immer bestreiten. Welcher Mann«, fuhr er seufzend fort, »ist darauf nicht schon hereingefallen? Aber«, setzte er mit jener Heiterkeit hinzu, die ihn allseits so beliebt machte, »vergiß nicht: Nie schlägt Fortuna dir eine Tür vor der Nase zu, ohne dir eine andere zu öffnen.«
    Hierauf lachte er, aber nicht so fröhlich wie sonst. Er war, glaube ich, zu müde von seinem anstrengenden Tagewerk und der mehrmals unterbrochenen Nacht.
    »Graubart«, sagte er, »das in Reims hast du gut gemacht. Und Saint-Pauls Tod ist eine gewonnene Schlacht. An ihm verliert die Liga einen sehr tüchtigen Hauptmann, kampferprobt, verschlagen und energisch. Dicke Hoden gibt’s nur in Lothringen, sagt das Chanson, aber seine waren durch und durch spanisch und um so gefährlicher für uns. Was nicht heißt, daß der kleine Guise, wo er Reims erst einmal hat, es jetzt an mich herausrücken wird, ohne zu feilschen und ohne abzuwarten, was aus Laon wird. Laon, Graubart, ist der Schlüssel zu allem. Wenn ich Laon nehme, brauche ich meinen Sack nur noch aufzuhalten,und die picardischen Städte werden allesamt hineinpurzeln, bald auch Reims, und mit Reims die Champagne. Glück muß man haben!«
    Hiermit gähnte er, als wollte er sich den Kiefer ausrenken, und streckte die muskulösen Beine.
    »Genug geschwätzt!« sagte er, trotz seiner maßlosen Müdigkeit lächelnd. »Meine Glieder sind schwer, die Nacht ist kurz. Bis morgen, Graubart!«
    Er schloß das rechte Auge, dann das linke, sein Atem verlangsamte sich, und er schlief ein, wie wenn

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