Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Personen meines Ranges streite?«
»Madame«, sagte ich, mich verneigend, »gewiß bin ich ein wenig unter Euch geboren. Darf ich aber sagen, ohne der Unverschämtheit geziehen zu werden, daß es nicht so sehr Euer Rang ist, der mich blendet, sondern Eure entzückende Schönheit?«
Sie war über die Kühnheit dieses Kompliments zugleich so baff, so entrüstet und so beglückt, daß ihr einen Moment die Sprache wegblieb. Und auch ich wurde stumm, ließ aber meinen Blick beredter als alle Worte auf ihr ruhen. Und, ehrlich gestanden, ich brauchte mir dabei keinen Zwang anzutun, so liebenswert erschien sie mir nach all den mir gemachten Avancen. Und wenngleich klein, war sie doch ebenso zierlich wie wohlgerundet, frisch und betörend mit ihren Lavendelaugen und ihrer naiven Unverblümtheit, ihrem süßen Mund und diesen wunderschönenund reichen blonden Haaren, die sich um ihren molligen Nacken lockten.
»Monsieur!« rief sie stirnrunzelnd, doch blickte sie längst nicht so zornig, wie es ihre Brauen anzeigten, »ich weiß wirklich nicht, woher Ihr die Verwegenheit nehmt, in dieser Weise zu mir zu sprechen. Hättet Ihr meinem Sohn Charles in Reims nicht so bedeutende Dienste geleistet – ich ließe Euch mir aus den Augen verjagen!«
»Mich verjagen, Madame!« rief nun ich, »mich verjagen, der ich Euch mit Leib und Seele ergeben bin! Wenn Ihr den verjagt, der Euch liebt, wer wird Euch dann dienen?«
Man muß einräumen, daß dieses an eine hohe Dame gerichtete »der Euch liebt« der Gipfel der Dreistigkeit war. Doch wie ich sah, hatte ich bereits so viele Freunde in der Festung, daß ich glaubte, mir diesen Sturm auf ihre Mauern erlauben zu können, ohne daß ein Ausfall zu fürchten stand, der mich zum Rückzug zwänge.
»Monsieur«, sagte sie, nachdem sie ihre Stimme wiedergefunden, »man kann nicht verhehlen, daß es schon Tollheit ist, so mit mir zu reden, mir, der Herzogin von Guise, die ich nach der Königinwitwe die höchste Dame im Reich bin.«
»Frau Herzogin«, sagte ich, indem ich mich erhob und ihr eine tiefe Verneigung machte, »niemand respektiert Euren Rang mehr als ich. Beliebt jedoch zu beachten, Madame, daß ich keineswegs so niederer Herkunft bin, daß Ihr mich mit Füßen treten dürftet wie einen Wurm. Immerhin war meine Mutter eine geborene Caumont-Castelnau, und bekanntlich nahmen die Castelnaus an den Kreuzzügen teil. Und was meinen Vater angeht, so schmiedete er seinen Adel auf den Schlachtfeldern, was wohl ebensoviel, ja vielleicht sogar mehr wert ist, als wäre er ihm fix und fertig in die Wiege gelegt worden.«
»Monsieur«, sagte die kleine Herzogin mit einer Verwirrung, die ihrem guten Herzen zu vollem Lob gereichte, »das weiß ich alles. Und ich weiß auch, daß mein Schwiegervater, Franz von Guise, Euren Herrn Vater, was Klugheit und Tapferkeit betrifft, all seinen anderen Hauptleuten vorzog. Ich habe meinen Rang ja auch nur so hoch gehißt«, setzte sie mit allerliebster Einfalt hinzu, »um mich sozusagen vor Euren Erklärungen in Sicherheit zu bringen.«
»Mein Gott, Madame!« sagte ich, indem ich voll Wonne ihreschwache Verteidigung auskostete, die sie zudem auch noch selbst entblößte, indem sie ungewollt gegen sich und für mich Partei nahm, »was ist ungehörig daran, wenn ich sage, daß ich Euch liebe? Ihr seid Witwe. Es kann die Ehre eines Gemahls sowenig wie die Eure verletzen. Und stehe ich auch nicht hoch genug, daß ich um Eure Hand anhalten dürfte, bin ich deshalb zu niedrig, um Euch mit allem ehrerbietigen Respekt die tiefe Liebe auszudrücken, die ich zu Euch gefaßt habe?«
Ich muß gestehen, daß ich selbst ganz verwundert war, so ernste Worte so leicht dahingesprochen zu haben. Aber so ist es nun mal mit den Fallen, in die man unvermeidlich tappt. Ohne das kleine Billett, das sie mir gesandt hatte und das mir kostbar war samt seiner Orthographie, hätte ich nie zu träumen gewagt, daß die Herzogin sich mir hingeben könnte. Doch in der Wüstenei meines Lebens – Doña Clara war abgereist, Angelina so fern – hatte diese neue Idee mit unglaublicher Stärke Besitz von mir ergriffen und augenblicklich ein so heftiges Begehren entfacht, daß es, um sie zu erobern, sich in jenen leidenschaftlichen Empfindungen äußerte, die ich auch gewiß für sie hegen würde, sollte es sich erfüllen. Sehen Sie, schöne Leserin, so nimmt die Sprache der Liebe immer die Wirklichkeit vorweg. Wenn Sie einem Mann, der Ihnen gefällt, antworten: »Ja, ich liebe Sie«, sind Sie
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