Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Ihrer Gefühle nicht sicherer als derer, die er Ihnen gestanden hat.
Nun, die kleine Herzogin, rosig überlaufen und aufgewühlt, hatte sichtliche Mühe, zu Atem und vor allem zu Stimme zu kommen, zumal sie trotz ihrer Weltläufigkeit wahrhaftig nicht mehr wußte, was sie sagen sollte, hatte sie doch das Stadium schon überschritten, da sie behaupten konnte, gekränkt zu sein, aber jenes noch nicht erreicht, da sie einwilligen durfte. Daß dieser Gedanke ihr dennoch gefiel, erkannte ich mit so großer innerer Bewegung, daß auch ich verstummte, vor ihr niederfiel und ihre Hände küßte, aber nicht mehr mit jenem Furor wie zuvor, sondern mit einer ehrfürchtigen Zärtlichkeit, die ihr sagen sollte, daß meine Achtung für sie, wenn sie nachgeben würde, durchaus nicht geringer wäre.
»Monsieur«, sagte sie endlich mit nahezu erloschener Stimme, ohne diesmal Zorn vorzutäuschen, »beliebt Euch zu setzen, und erzählt mir im einzelnen, wie Euer Aufenthalt zu Reims verlief, denn mein Sohn ließ mir nur das Wesentliche melden,mit großem Lob für Euch, doch ohne genauer zu sagen, welche Rolle Ihr dort spieltet.«
So nahm ich denn wieder Platz auf dem Taburett zu ihren Füßen, um meinen Vers aufzusagen und unser verlegenes Schweigen durch einen Bericht zu überstimmen, dem weder sie noch ich viel Aufmerksamkeit schenkten, weil unsere ineinander versenkten Blicke derweil ein Zwiegespräch führten, das uns tausendmal wichtiger war als meine nichtigen Worte. Es war dies einer der köstlichen Momente bebender Vorwegnahme, von dem Liebende wünschten, er würde ewig währen. Ein freilich seltsamer Wunsch, hat diese Vorwegnahme doch nur Sinn, wenn Handeln sie ablöst und mithin beendet. Was auch geschah, und was ebenso köstlich war, aber von einer anderen Köstlichkeit, denn sie vollendete jene, die wir vorher bei unserer stummen Zwiesprache empfunden hatten, ohne sie doch vergessen zu machen.
Der Aufruhr war gestillt, und ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen, als ich die Herzogin in meinen Armen ruhen sah, nackt in ihrer Blöße und auf zerwühlten Laken, die aus zartblauer Seide waren, sicherlich um ihre azurblaue Iris und ihr blondes Haar zur Geltung zu bringen. Und weil ich in ihren schönen Augen nun etwas wie heimliche Furcht vor der Zukunft las, übersäte ich ihr Gesicht mit kleinen Küssen, um sie zu versichern, daß auf wildeste Stürme bei mir unfehlbar Zärtlichkeit folgte. Und als ich sah, daß sie diese Sprache mit jenem feinen Gespür verstand, wie es die Frauen besitzen und mit dem sie die nebensächlichsten Dinge wahrnehmen und zu entziffern wissen, und weil mir schien, daß dieses Entziffern sie tröstete und ermutigte, schob ich meinen linken Arm unter ihre Taille und legte meine Wange auf ihre Brust, und so lag ich denn eine Weile in einer Stimmung, die Gebet und Anbetung sehr nahekam. Ich weiß wohl, daß unsere Religion, die so viel von Liebe spricht und sie so wenig praktiziert, eigentlich nur die Liebe zum Herrn im Auge hat; doch wage ich meinen Leser zu fragen: Ist es Liebe zum Schöpfer, wenn wir die Kreatur nicht lieben? Und versinken wir nicht in der Bitternis und Grätzigkeit fruchtloser Einsamkeit, wenn wir die Liebe derart entfleischlichen, daß wir sie unberührbaren Wesen ohne Wärme und Gegenseitigkeit weihen?
Ungefähr diese Gedanken erfüllten meinen Sinn, als die Herzogin sich mit verzagter Stimme vernehmen ließ.
»Monsieur«, sagte sie, »werdet Ihr es überall erzählen?«
»Ich, Madame?« sagte ich wie entrüstet, und meinen linken Arm hervorziehend, stützte ich mich neben ihrem schönen Gesicht auf den Ellbogen und blickte in ihre Augen. »Madame«, sagte ich, »haltet Ihr mich für so niederträchtig? Glaubt Ihr, ich würde wie ein Herrchen vom Hof vor jedem, der es hören will, die mir privatim erwiesenen Zärtlichkeiten sogleich herausposaunen? Ha, Madame, eher würde ich mir die Zunge abschneiden, als irgendeinem auch nur mit einem Wort zu verraten, was Ihr mir gewährtet.«
»Monsieur, schwört Ihr das?«
»Bei meinem Seelenheil«, sagte ich ernst.
»Ha, mein Pierre!« sagte die kleine Herzogin. »Hatte ich Euch doch richtig eingeschätzt. Schon als Ihr den Tuchhändler spieltet, hielt ich Euch für einen richtigen Mann, nicht wie diese albernen Gecken, die Ihr nanntet.«
»Habt Ihr, Madame, meine Verkleidung also damals denn durchschaut?«
»Bitte, Lieber!« sagte sie, »wir sind an einem Punkt, wo Ihr das ›Madame‹ lassen könntet.«
»Mein Engel«, sagte
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