Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
ich, »ich tue alles, was Ihr wollt, hierin wie in allem anderen.«
»Mein Pierre!« rief sie und lachte plötzlich hellauf, »ist es nicht seltsam, daß Ihr mich in dem Moment Engel nennt, in dem ich aufhöre, einer zu sein?«
»Mein Lieb«, sagte ich, nachdem wir uns über diesen Spaß nach Herzenslust ausgelacht hatten, »ich habe Euch geschworen, mir über unser schönes Geheimnis den Schnabel zuzunähen. Aber werdet Ihr es auch nicht Eurem Beichtvater eröffnen, der dann mit seinem Rüssel in unseren Wonnen wühlen und Euch womöglich befehlen würde, sie zu beendigen?«
»Mein Pierre«, sagte sie mit hübsch gerümpften Brauen, »das hätte mir tatsächlich mit dem Pfarrer von Saint-Germain-l’Auxerrois passieren können, dem ich in den vergangenen drei Jahren meine Sünden beichtete. Wahrhaftig, war das ein Tyrann! So schonungslos gegen meine arme kleine Seele! Was er mir alles androhte! Liebe Zeit, wenn ich seinen roten Händen entkam, war ich wie zerbrochen, des Lebens überdrüssig und häßlich obendrein!«
»Häßlich, mein Lieb! Nein, häßlich! Das kann ich mir nicht vorstellen.«
»Mein Pierre, ich schwöre es!« sagte sie und kicherte schelmisch. »Am Ende war ich es leid, mich quälen zu lassen, und gab ihm den Abschied. Und seitdem leitet Ehrwürden Pater Guignard mein Gewissen.«
»Ach, ein Jesuit!« sagte ich lachend. »Ein Pater vom Collège de Clermont! Auch Ihr, meine Liebe, folgt also der Mode, einen Jesuiten zum Gewissensrat zu nehmen.«
»Ha!« sagte die kleine Herzogin, indem sie mir die Arme um den Hals schlang und ihren wonnigen Busen an meine Brust drückte, »es ist eben so, daß Pater Guignard – Gott segne ihn! – mir die Religion so angenehm macht und so leicht zu befolgen, daß ich ihn nicht mehr missen möchte. Freilich hat er bei unserer ersten Begegnung versucht, mich gegen Henri einzunehmen. ›Halt, Monsieur!‹ habe ich gesagt, ›kein Wort gegen meine Familie, oder ich werde böse!‹ – ›Eure Familie, Madame?‹ fragte der gute Pater, ›dieser rückfällige und exkommunizierte Béarnaiser Ketzer gehört zu Eurer Familie?‹ – ›Allerdings, Monsieur‹, sagte ich, ›Ihr wißt wohl nicht, daß er mein Cousin linker Hand ist! Und daß er sich bekehrt hat!‹ – ›Aber‹, sagte Guignard, ›seine Bekehrung ist doch nur Schein und ohne jede Bedeutung, da der Papst sie nicht anerkannt hat.‹ – ›Der Papst‹, sagte ich, ›wird sie anerkennen, wenn wir ihn erst entspanisiert haben!‹«
»Entspanisiert!« rief ich. »Das habt Ihr gesagt, mein Engel – zu einem Schüler des Ignatius von Loyola! Zu einem Agenten Philipps II.! Meine Liebe, meine Liebe, Ihr übertrefft alle Frauen der hohen Gesellschaft an Geist und Tapferkeit!
Entspanisieren
, beim Ochsenhorn! Das merke ich mir. Der Papst – entspanisiert! Und wie nahm es Guignard?«
»Mit einer komischen Grimasse und ziemlich kleinlaut, aber er sagte nichts mehr gegen den König, und seitdem ist er für mich der wunderbarste Beichtvater der Schöpfung.«
»Wunderbar, Madame! Ich werde eifersüchtig.«
»Wie ungezogen Ihr seid!« rief sie, »habe ich Euch das ›Ma dame ‹ nicht verboten?«
Und mit ihrer gewohnten Ungezwungenheit wollte sie mir zum Spaß einen Klaps mit ihrer molligen kleinen Hand geben, die ich jedoch abfing und küßte, dann ihren Arm, ihre Brust, denn Küsse sind, wie du, Leser, weißt, äußerst bewegliche Tierchen. Woher es kam, daß unser Gespräch in den folgenden Minuten ganz aufhörte, verständlich zu sein.
»Mein Lieb«, sagte ich, als es das wieder wurde, »kommen wir auf die Jesuiten zurück, und sagt mir, warum Pater Guignard so wunderbar ist.«
»Das habe ich doch gesagt, mein Pierre: Seine Religion ist so angenehm leicht zu befolgen.«
»Wieso?«
»Zum Beispiel als Fasten kam, beklagte ich mich natürlich, daß ich nicht wie gewohnt essen dürfe. ›Madame‹, sagte er, ›man muß sich zwingen.‹ – ›Ha, Pater! Damit helft Ihr mir nicht im geringsten. Ihr sprecht wie der Pfarrer von Saint-Germain-l’Auxer rois !‹ Das ärgerte ihn, und er sagte: ›Madame, bitte, vertraut mir nur. Ich werde bei unseren Autoren nachlesen, und ich hoffe, ich werde für Euch einen Weg ohne Sünde finden.‹ Und wirklich kam er am nächsten Tag stolz mit einem dicken Buch in der Hand. ›Madame‹, sagte er, ›ist es nicht so, daß Ihr nicht schlafen könnt, weil der nüchterne Magen Euch keine Ruhe läßt?‹ – ›Ge nauso ist es!‹ sagte ich. – ›Nun‹, sagte er,
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