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Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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von Caroline Nogard?«
    »Herzstillstand. Zahlreiche innere Blutungen. Immer das gleiche Lied.«
    »Hmm … Und der da? Noch so ein Schrecken?«
    Der rothaarige Forscher lag auf dem Bauch. Sein Kopf war den Besuchern zugewandt, als wolle er sein verblüfftes und entsetztes Zeugnis ablegen. Die Augen waren herausgequollen, der Mund hatte irgendwelchen widerwärtigen Schleim ausgespien, der jetzt den langen Bart bedeckte, die Ohren bluteten noch … Eine merkwürdige weiße Haarsträhne hing ihm über die Stirn; da war zu klären, ob der Mann sie schon vor seinem Tod gehabt hatte. Méliès fiel außerdem auf, daß er die Hände auf den Unterleib gepreßt hielt.
    »Wissen Sie, wer das ist?« fragte er.
    »Unser neues Opfer ist oder vielmehr war Professor Maximilian MacHarious, ein weltweit anerkannter Spezialist für Insektizide.«
    »Ja genau, für Insektizide … Wer könnte ein Interesse daran haben, brillante Erfinder von Insektiziden zu ermorden?«
    »Eine Liga zum Schutz der Natur?« meinte Laetitia.
    »Sicher, und warum nicht gleich die Insekten selbst?«
    spottete Méliès.
    Laetitia schüttelte ihren braunen Pony.
    »Warum eigentlich nicht? Nur, daß bloß die Menschen Zeitung lesen!«
    Sie hielt ihm einen Zeitungsausschnitt hin, in dem die Ankunft von Professor MacHarious in Paris gemeldet wurde –
    er wollte an einem Seminar über die Probleme von Insektenplagen auf der Welt teilnehmen. Es war sogar angegeben, daß er im Hotel Bellevue wohnte.
    Jacques Méliès las den Artikel und gab ihn Cahuzacq, der ihn in seine Akte legte. Dann begann er, das Zimmer akribisch durchzukämmen. Laetitias Anwesenheit stachelte ihn an, seine handwerkliche Sorgfalt unter Beweis zu stellen. Wieder keine Waffe, keine Einbruchspuren, keine Fingerabdrücke auf den Fensterscheiben, keine erkennbaren Verletzungen. Wie bei den Saltas, wie bei Caroline Nogard: nicht der geringste Anhaltspunkt.
    Und auch hier war die »erste Abteilung« der Fliegen nicht vorbeigekommen. Der Mörder mußte also noch fünf Minuten in der Nähe des Toten geblieben sein, als würde er über die Leiche wachen oder das Zimmer von jeder verräterischen Spur säubern.
    »Haben Sie etwas gefunden?« fragte Cahuzacq.
    »Die Fliegen haben wieder Angst gehabt.«
    Der Inspektor wirkte verwirrt. Laetitia erkundigte sich: »Die Fliegen? Was haben die Fliegen damit zu tun?«
    Der Kommissar war sichtlich befriedigt, wieder ein wenig in Führung zu gehen, und hielt ihr einen kleinen Vortrag über die Fliegen: »Der Gedanke, bei der Lösung von Kriminalfällen die Fliegen zu Hilfe zu nehmen, stammt von einem gewissen Professor Brouarel. Im Jahr 1890 wurde in einem Pariser Kaminschacht ein völlig eingeräucherter Fötus entdeckt. In der Wohnung hatte es in den letzten Monaten mehrere Mieterwechsel gegeben. Wer davon hatte den kleinen Leichnam versteckt? Brouarel löste das Rätsel. Er entdeckte im Mund des Opfers Fliegeneier, bestimmte ihren Reifegrad und konnte so auf eine Woche genau das Datum feststellen, an dem der Fötus in den Kamin gelegt worden war. Die Schuldigen konnten festgenommen werden.«
    Die schöne Journalistin konnte ihren Ekel nicht verbergen, was Méliès ermunterte, genauso fortzufahren: »Ich selbst habe dank dieser Methode einmal herausgefunden, daß ein in seiner Schule tot aufgefundener Lehrer tatsächlich im Wald ermordet worden war, ehe man ihn ins Klassenzimmer gebracht hatte, um so einen Rachemord durch einen Schüler vorzutäuschen.
    Die Fliegen sind auf ihre Weise zu Zeugen geworden. Die an der Leiche entdeckten Larven stammten eindeutig von Waldfliegen.«
    Laetitia dachte daran, daß diese Theorie ihr eines Tages als Thema für einen Artikel gerade recht kommen könnte.
    Mit seinem Vortrag zufrieden, ging Méliès zum Bett zurück.
    Mittels seiner Leuchtlupe fand er schließlich ein winziges vollkommen quadratisches Loch unten an der Schlafanzughose des Opfers. Die Journalistin war neben ihn getreten. Nach kurzem Zögern sagte er schließlich zu ihr: »Sehen Sie dieses kleine Loch? Genau das gleiche habe ich auf der Jacke von einem der Saltas gesehen. Genau dieselbe Form …«
    SSSsssssssssss …
    Dieses typische Geräusch klang dem Kommissar in den Ohren. Er schaute zur Decke hoch und bemerkte dort eine Fliege. Sie machte ein paar Schritte, hob ab und kreiste dann über ihren Köpfen. Ein Polizist, den das Geräusch störte, wollte sie verscheuchen, aber der Kommissar hielt ihn davon ab. Er verfolgte sie mit seinem Blick und wollte

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