Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
entkommen können.«
Ratlos sahen die Gnome auf die Schlacht hinab, in der mit einem Mal alle Frontlinien verwischt worden waren. Darnamur fasste sich als Erster.
»Die Tore!«, brüllte er. »Schließt die Stadttore.«
Dranjar ritt auf dem Goblin wie eine Vila auf dem Drachen. Der Goblin stieg in die Katakomben unter der Zitadelle hinab und verließ sich dabei nicht auf seine feinen Sinne, sondern führte eine Lampe mit sich. Ihr warmer Schein wanderte über das verwitterte Mauerwerk und fing sich in den weißen Spinnweben, die alles überzogen.
Dranjar sah vor sich nur den struppigen Kopf seines Trägers, doch zu den Seiten hatte er einen freien Blick. Längst hatten sie alle bewohnten Teile des Palastes hinter sich gelassen. Sie bewegten sich tief unter den tiefsten Kellern, die er kannte. Dranjar war froh, dass er sicher auf den Schultern des Goblins saß. Das war keine Gegend für Gnome.
Die Spinnweben waren so dicht, dass selbst die Spinnen wie darin gefangen wirkten. Sie hingen in den Gang hinein, zogen sich über die Decke. Es war unmöglich, hier in kleiner Gestalt zu laufen. Batha wäre gewiss nicht so leichtsinnig gewesen, den Goblins hierher zu folgen, in ihrer natürlichen Größe und fast ohne Deckung.
Oder doch?
Aber sie war nicht zurückgekehrt. Und auch Dranjar empfand Neugier, was der Goblin in diesem vergessenen Teil der Fundamente suchte. Es musste eine Bedeutung haben, dass die Goblins hierherkamen.
Vorsichtshalber nahm er die Armbrust vom Rücken und spannte sie. Immerhin mochte es sein, dass ein fürwitziges Spinnentier sich zu ihm abseilte.
Der Goblin gelangte an eine schwere Holztür. Die Bohlen wirkten verzogen und waren so ausgeblichen, dass sie aussahen, als wären sie versteinert. Das Schloss war allerdings gut geölt, und der Goblin öffnete es mit einem der Schlüssel von seinem Bund. Dann zog er die Türe auf.
Sogleich drang ein infernalisches Kreischen an Dranjars Ohr. Er zuckte zusammen und wäre fast von seinem hohen Sitz gerutscht. Dranjar hob die Armbrust, sah sich gehetzt um. Fledermäuse!
Der Goblin trat durch einen Vorhang aus langen Lederstreifen, der hinter der Tür herabhing. Dahinter tat sich ein gewaltiges Gewölbe auf. Ein süßlicher Geruch lag in der Luft, vermischt mit dem beißenden Gestank von Fledermauskot.
Die Wände verloren sich im Schatten langer Säulenreihen. Die Decke lag fünf Goblinhöhen über ihnen, und dort wimmelte es von Fledermäusen. Als der Goblin in das Gewölbe trat, lösten sich einige von ihrem Ruheplatz. Unruhe breitete sich aus.
Gebannt blickte Dranjar zu den Tieren auf, die Armbrust schussbereit. Da nahm er von der Seite eine Bewegung wahr. Dranjar fuhr herum, legte seine Waffe an. Doch es war die haarige Klauenhand des Goblins, die geradewegs auf ihn zukam.
Einen Augenblick zögerte er entsetzt, dann erkannte er, dass der Goblin seine Kapuze hochschlagen wollte. Dranjar, der in einer Falte saß, verlor den Halt. Er wurde fortgeschleudert, rutschte ein Stück hinab, wurde von einer weiteren Falte mitgerissen und hoch in die Luft geworfen.
Der winzige Gnom überschlug sich im Fallen. Verschwommen sah er den Rücken des Goblins vorbeirasen, erahnte zwei Schatten, die sich aus der größer werdenden Wolke von Fledermäusen über ihm lösten …
Und er machte sich groß.
Geschickt kam er mit den Füßen auf, ging in die Hocke. Er legte die Armbrust an und zielte auf den breiten Rücken des Goblins.
Die Fledermäuse drehten über ihm ab. Sie schwirrten um den Goblin herum, der gereizt knurrte und nach ihnen schlug. In dem vielflügeligen Flattern hatte er Dranjar nicht bemerkt.
Dranjar blieb ruhig hocken, während der Goblin einige Schritte von der Tür wegtrat und nach einer Art Rechen griff, der dort an der Wand lehnte.
In diesem Augenblick lief Dranjar los. Er bewegte sich stets so, dass der Goblin ihm weiterhin den Rücken zuwandte, und suchte Deckung hinter einer Säule. Er atmete einige Male tief durch. Der Gestank stach in seiner Nase, und er musste würgen. Die Säule, an der er lehnte, war mit Reliefs verziert, mit Kriegern und Bestien, kaum noch zu erkennen vor Rissen und Löchern und dem Fledermauskot, der sich in allen Vorsprüngen sammelte.
Dranjar hörte ein Kratzen. Vorsichtig spähte er um die Säule herum.
Der Goblin kehrte tote Fledermäuse auf dem Boden zusammen. Die hölzernen Zähne des Rechens pflügten Furchen in den Dreck.
Dranjar schüttelte sich. Unmöglich konnte er in diesem Raum wieder seine
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