Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
stünde man direkt davor.
Ganoch verfolgte den Aufmarsch der Feinde durch das Glas. Dann ließ er es sinken. Seine Augen tränten, weil sich sein Blick kurz in der Sonne verfangen hatte.
»Es sind immer noch zu viele«, stellte er fest. »Sie haben doppelt so viele Goblins in ihren Reihen wie wir, trotz der Verluste der letzten Nacht. Und machen wir uns nichts vor: Alle Alben, die etwas auf sich halten, haben sich den Rebellen angeschlossen. Unsere Feinde werden in dieser Schlacht auch die besseren Zauberer aufbieten können. Wir hatten gestern nur Glück, weil Hagaz so übereilt angegriffen und sich mit seinen Verbündeten nicht abgesprochen hat.«
»Das spielt keine Rolle«, befand Darnamur. »Denk daran: Die dreitausend Goblins der Garde haben am ersten Tag der Revolution dreißigtausend Goblins der Stadtwache abgeschlachtet wie Vieh, nachdem wir am Tag zuvor die meisten Anführer der Stadttruppen im Schlaf ermordet hatten.«
»Abgeschlachtet«, murmelte Ganoch mit einer Geste auf den Platz hinab. »Oder vertrieben. Oder die Stadtwachen haben sich neue Hauptleute gesucht und stehen jetzt dort unten neben der Garde auf dem Platz.«
»Wie auch immer«, befand Darnamur. »Die Tatsache bleibt bestehen: Ein Haufen ungeordneter Goblinkrieger kommt nicht gegen eine geschlossene Schlachtreihe an. Da hilft ihnen auch die Überzahl nichts. Und wenn du gute Arbeit geleistet hast, wird es eine ungeordnete Goblinhorde sein.«
Ganoch sagte nichts und reichte seinem Anführer das Sichtglas zurück. Was auch immer die Gnomenspäher im Laufe des Tages erreicht hatten, sie hatten einen hohen Preis bezahlt. Viele von denen, die wie Ganoch ins Lager der Goblins geschickt worden waren, um Unfrieden zu stiften, oder zu den mit Hagaz verbündeten Alben, um deren Reihen zu lichten, waren nicht wieder zurückgekehrt. Es waren die besten gewesen, Ganochs eigene Elite aus den Veteranen der Spähtrupps der Fei.
Der Plan musste einfach Erfolg haben, damit ihr Opfer gerechtfertigt war.
Auf den Wällen herrschte eine erwartungsvolle Stille. Unten auf dem Platz ging es rauer zu. Die Gardetruppen verhielten sich für Goblins bemerkenswert diszipliniert, dennoch brachen innerhalb der Reihen immer wieder kleine Rangeleien aus. Schimpfworte flogen durch die Luft, und die Unteroffiziere mussten den ein oder anderen unbotmäßigen Krieger erschlagen, um für Ruhe zu sorgen.
Goblins waren nicht dafür geschaffen, in engen Reihen zu stehen. Und sie waren nicht dafür geschaffen, ruhig abzuwarten.
Den Alben und ihrer Leibwache aus Vampiren bereitete das keine Schwierigkeiten. Sie warteten links und rechts des Tors und sollten sich den Goblins anschließen. Geschützt hinter deren Rücken würden sie auf dem Schlachtfeld ihre Zauber wirken.
»Wo ist Fitwiz?«, murmelte Darnamur. Er suchte mit dem Sichtglas den Platz ab. »Gerade habe ich ihn noch gesehen.«
Aber der Drauzwinkel versank im Dunkel. Die Sonne erreichte nur noch die Turmstümpfe auf der anderen Seite des Platzes, und deren Narben glühten wie in Blut getaucht. Smatras Sichtgerät benötigte mehr Licht, als es die nachtsichtigen Gnome gewohnt waren, und Darnamur steckte es schließlich gereizt in seine Westentasche. »Das Ding taugt gar nichts«, befand er.
»Großartig, großartig«, widersprach Smatra. Er sprang vor Darnamur auf und nieder und drohte empört mit dem Finger. »Smatras Weitsichtglas wird die Kriegführung verändern, verändern! Die Finstervölker werden in Zukunft bei Tageslicht kämpfen, damit man sie durch das Glas besser sehen kann.«
Ganoch wandte sich ab, damit der Kobold sein Grinsen nicht sehen konnte. »Ganz bestimmt«, flüsterte er Darnamur zu. »Gesehen zu werden, das ist das höchste Ziel eines Gnoms im Kampfe!«
Er schaute wieder auf das Feld vor der Stadt hinaus. Er vermeinte, in den Reihen der Feinde Unruhe wahrzunehmen. Aber Darnamur schüttelte den Kopf. »Unsere fliegenden Truppen werden ein Zeichen geben, wenn es so weit ist.«
Dennoch zog Ganoch das Sichtglas aus Darnamurs Tasche und spähte wieder hindurch. Hagaz’ Goblins liefen durcheinander, aber es war nicht auszumachen, ob es eine normale Truppenbewegung war oder ob etwas Ungewöhnliches vorging.
Da rauschten Schwingen heran. Ein Drache stieß über dem Tor ein Brüllen aus.
»Es ist so weit«, rief Darnamur. »Angriff! Angriff!«
Kräftigere Stimmen nahmen den Ruf auf. Erst die Menschen auf den Wällen, dann die Goblins auf dem Platz.
»Angriff!«, brüllte es aus Tausenden
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