Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
kleine Gestalt annehmen. Er würde in der dicken Schicht Kot versinken wie in einem Sumpf. Und ohne die sichere Zuflucht auf dem Rücken des Goblins würden sich die Fledermäuse auf ihn stürzen.
Dranjar erwog, durch die Tür wieder nach draußen zu fliehen. Aber der Goblin blieb zwischen den beiden mittleren Säulenreihen, von wo aus die Tür gut zu sehen war. Es war zu gefährlich, die Deckung aufzugeben. Und auf einen Kampf mit dem gerüsteten Krieger wollte Dranjar es nicht ankommen lassen.
Er würde einfach in seinem Versteck bleiben, bis der Goblin wieder verschwunden war, und sich dann hinausschleichen.
Nachdem er diese Entscheidung getroffen hatte, blickte Dranjar sich neugierig um. Im Schatten der Säulen huschte er näher an die Seitenwand heran. Die Grundfläche des Gewölbes schien viereckig zu sein, und Dranjar entdeckte einen weiteren Ausgang. Er war nicht einmal hoch genug für einen Gnom, und eine schmale Rinne im Boden führte dorthinein. Allem Anschein nach handelte es sich um einen alten Kanal. Auch diese Öffnung war mit Lederstreifen verhangen.
Die ganze unüberschaubare Masse an Fledermäusen war inzwischen in Bewegung. Wie ein gewaltiger schwarzer Mahlstrom kreisten sie unter der Decke. Die fast träge anmutende Bewegung dieser Fledermauswolke setzte sich aus unzähligen flinken Leibern zusammen, die verspielt umeinander kreiselten, sich aus der Masse lösten oder wieder dorthineintauchten.
Dranjar folgte dem Goblin zum anderen Ende des Gewölbes. Der Gestank in der Luft wurde immer schlimmer. Ein Summen mischte sich unter das Schwirren der Fledermäuse. Dranjar lief von Säule zu Säule, so nah wie möglich an den Goblin heran. Der Eingang war inzwischen so weit entfernt, dass Dranjar ihn in der Finsternis nur noch erahnen konnte.
Dafür erhellte der Schein der Lampe eine Art Verschlag an der rückwärtigen Wand. Dieser war aus groben Latten gezimmert und von gazeartigen Tüchern umhüllt. Er nahm die ganze Länge der Wand ein, maß etwa zwei Schritt in der Tiefe und reichte dem Goblin bis zur Hüfte.
Der Gestank, der davon aufstieg, raubte Dranjar den Atem.
Der Goblin hob einen Deckel von dem Verschlag. Schwärme von Fliegen stiegen aus der Öffnung auf. Sogleich begann es in der Fledermauswolke zu brodeln. Einzelne Tiere stießen hinab und fingen die Insekten im Flug. Sie sausten um Dranjar und um den Goblin herum. Der stellte die Lampe ab, scheuchte die Fledermäuse mit unwilligen Armbewegungen fort und schaufelte zugleich die zusammengerechten Kadaver in den Verschlag.
Dranjar kauerte sich enger an seine Säule. Allmählich ergab das alles einen Sinn. Dies war nicht nur eine vergessene Grotte, in die sich die letzten Fledermäuse von Daugazburg zurückgezogen hatten. Es war eine regelrechte Fledermauszucht, sorgsam gehegt und gepflegt von irgendjemandem, der daraus einen Nutzen zog. Der Verschlag mit den Kadavern, in dem gezielt Fliegen als Nahrung herangezogen wurden, und die Vorhänge, die den Fledermäusen den Ausgang verwehrten, ließen daran keinen Zweifel.
Aber warum? Wollten sich da etwa einige Goblins die Taschen füllen, indem sie das Kopfgeld für Fledermäuse einsteckten und selbst für unerschöpflichen Nachschub sorgten?
Der Goblin hatte die Kadaver beseitigt. Nun beugte er sich in den Verschlag und zog etwas hervor. Er schüttelte die Maden von dem länglichen Ding, grunzte und leckte es dann sauber. Dranjar kniff die Augen zusammen. Es sah aus wie ein Knochen.
Er hörte ein Knacken, als der Goblin das Ding auseinanderbrach. Dann erkannte er, was es war: der Unterarmknochen eines Gnoms!
Dranjar musste einen Laut von sich gegeben haben, denn mit einem Mal blickte der Goblin auf. Unter der Kapuze starrte er zu der Säule hin, bemühte sich, außerhalb des Lichtkreises seiner Lampe etwas wahrzunehmen.
Rasende Wut erfasste Dranjar. Er wünschte alle Vorsicht in den schwarzen Abgrund, dem Leuchmadan einst entstiegen war. Diese Goblins legten Hand an Gnome!
Dranjar trat einen Schritt hinter der Säule hervor und schoss. Der Goblin riss den Arm hoch. Der Bolzen mit der Spitze aus Drachenschuppe fuhr in seinen Unterarm, trat auf der anderen Seite wieder aus. Schwärzliches Blut rann über das Fell.
Der Goblin brüllte.
»Kleines Ungeziefer«, stieß er hervor. Er packte den Bolzen und riss ihn sich aus dem Fleisch. Dann zerrte er beide Säbel so heftig aus dem Gürtel, dass der Schlüsselbund in hohem Bogen hinterherflog und in den Schmutz fiel.
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