Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
wenige grüßten. Frafa grüßte zurück. Aber es waren Fremde für sie, und Frafa wusste nicht, wie sie ein Gespräch beginnen sollte.
»Ah, die Dame Frafa.« Salvan trat zu ihr. Er lächelte und fasste nach ihrer Hand. Frafa zog sie hastig zurück und legte sie an die Hüfte. Balgir regte sich auf ihrer Schulter.
Salvans Lächeln blieb unverändert. »Kommt«, sagte er. Er warf einen raschen Blick in den Saal. »Ich begleite Euch nach Hause.«
»Ich … finde den Weg allein …« Frafa verstummte. Salvan hatte Bleidan verhaftet. Kam er nun als Verbündeter nicht mehr in Frage?
Immerhin sprach er mit ihr. Das war mehr, als sie bei irgendeinem anderen Ratsherrn erreicht hatte. »Ich fürchte, Ihr habt Euch heute ein paar Feinde gemacht«, sagte er. »Ihr solltet nicht mehr allein durch die Gassen der Stadt gehen. Ihr braucht Verbündete.«
»Ihr seid kein Verbündeter«, erwiderte Frafa. »Ihr gehört … zur Gegenseite.«
»Ich bin kein Mitglied der Fortschrittsfreunde «, sagte Salvan. »Das ist wahr. Ihr aber auch nicht, wenn ich richtig verstanden habe. Bleidan hat Euch ein Stück seines Weges mitgenommen, aber jetzt seid Ihr auf Euch allein gestellt.«
»Bleidan war mein Freund«, entgegnete Frafa. »Und ein Mitglied desselben Haushalts. Ihr habt ihn fortgebracht.«
»Und Ihr habt ihn verraten.«
Frafa zuckte zurück, aber Salvan streckte wieder die Hand aus und bekam ihren Arm zu fassen. Beruhigend strich er darüber. »Nein«, sagte er. »Das war kein Vorwurf. Wir haben uns beide nichts vorzuwerfen. Ich will nur darauf hinweisen, dass wir alle drei keinen persönlichen Groll gegeneinander hegen müssen, weder Bleidan noch Ihr noch ich. Wir beide haben mit Darnamur einen Handel geschlossen, der nur zufällig zu Bleidans Ungunsten verlief. Nachtalben tun so etwas. Genauso können wir auch zusammenarbeiten, wenn es uns gegenseitig Nutzen bringt.«
Frafa schaute Salvan an. Er hielt ihren Arm, nach allem, was sie Grefan angetan hatte. Salvan war ein junger Alb, aber stark und selbstsicher. Frafa fühlte sich an Bleidan erinnert. Die beiden hatten auf unterschiedlichen Seiten gestanden, aber womöglich waren sie gar nicht so verschieden.
Vielleicht war Salvan der Mann, über den sie eine Verbindung zu Bleidans Feinden herstellen konnte.
Er hielt immer noch ihren Arm, und gemeinsam verließen sie die Zitadelle und gingen zu Aldungans Turm. Salvan begleitete sie bis hinein. Frafa blickte zur Treppe. Sie dachte an all die leeren Geschosse über ihr, die Räume, das ausgebrannte Dach. Bleidans Arbeitszimmer. Ein leerer, kalter Turm, der ihr allein gehörte. Salvan ließ ihren Arm nicht los.
»Danke, dass Ihr mitgekommen seid«, sagte Frafa. Sie suchte nach Worten. Sie musste jetzt reden, sie musste mehr über den Rat erfahren. Über Bleidans Schicksal.
Sie schaute in Salvans Augen, die tief und dunkel waren. Sein makelloses Nachtalbengesicht wirkte feiner, als das von Bleidan je gewesen war. Frafa sah in Gedanken Bleidan vor sich, wie er aus dem Kerker der Fei zurückgekehrt war, das Antlitz matt und streng. Salvans Gesicht hingegen war rund und weich.
Er stand dicht vor Frafa und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Ich habe es gern getan«, sagte er. »Da herrscht eine feindselige Stimmung in diesem Rat. Es tut gut, jemanden bei sich zu haben, der in seinem Inneren nicht nur Ziele hat, sondern Leben.«
Frafa spürte seine Berührung. Sie drang durch ihre Haut und bis in die Essenz. Frafa erinnerte sich an jenen Tag, als Bleidan das erste Mal ihre Essenz mit der seinen erfasst hatte. Eine Träne trat ihr ins Auge.
»Was hast du?«, fragte Salvan. »Warum die Träne?«
»Es …«, setzte Frafa an. »Eine Erinnerung. An die Zeit vor den Gnomen. Es war leichter damals.«
Salvans Hand wanderte tiefer. Unter der körperlichen Berührung spürte sie Salvans Magie, die über ihre Seele strich. Sie atmete schneller und konnte den Blick nicht von ihm abwenden. Er streichelte mit der anderen Hand über ihre Wange und nahm die Träne fort.
»Es wird wieder eine Zeit ohne Gnome geben«, sagte Salvan. »Wir werden dann immer noch hier sein. Wir sind Alben, Frafa. Die Zeit ist unser Freund.«
Frafa seufzte. Seine Hand streifte über ihren Bauch, und sie fühlte das Kribbeln in ihrem Inneren. Etwas löste sich, und Frafa ließ sich nach vorn sinken, legte die Stirn auf Salvans Brust. Er strich ihr über den Rücken. Seine Berührung löste Spannungen in ihrer Essenz, von denen Frafa gar nichts gewusst
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