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Der Tag der Messer: Roman (German Edition)

Der Tag der Messer: Roman (German Edition)

Titel: Der Tag der Messer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Lohmann
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während sie gleichzeitig darüber nachdachte, was sie für die Reise noch vorbereiten musste.
    Und die schwierigste Frage war: Wie konnte sie den verletzten Gnom aus der Stadt schmuggeln? Ob sie ihn wohl so weit zur Besinnung bringen konnte, dass er seine kleine Gestalt annahm? Sie überlegte, in welchem Gepäckstück sie den Gnom in seiner normalen Größe verstecken konnte. Mit Grauen stellte sie sich vor, wie sie den kindergroßen Verletzten zu ihrem Greif schleppte, mit all den Sachen, die nötig waren, um ihn darunter zu verbergen, und immer in Sorge, dass ihre Mittel zur Beruhigung nicht ausreichten und dass der Gnom einen Laut von sich gab, der sie alle verriet.
    Ob sie den Gnom wohl in seiner großen Gestalt in ihr Taschentier hineinbekam? Leuchmadans Kästchen, oder vielmehr dessen Imitat, hatte ja auch hineingepasst.
    Frafa hörte vom Küchentisch her ein Würgen. Das Brot, das sie zuletzt in Balgirs Rachen geworfen hatte, fiel zu Boden. Die Echse züngelte und wischte sich mit den Vorderklauen das Maul.
    »Balgir!«, rief Frafa empört und schlug die Hände vor den Mund. Sie hatte ganz vergessen, das Taschentier vor dem Packen zu verwandeln, so zerstreut war sie gewesen. Jetzt waren alle Vorräte in Balgirs gierigem Schlund gelandet.
    Balgir blickte sie an und rollte mit den Augen. Er klaubte sich Brotkrumen zwischen den Zähnen hervor und ließ sie auf die Tischplatte fallen.
    Frafa stemmte die Hände in die Hüften. »Das Brot war dir also nicht gut genug?«, schimpfte sie.
    Balgir wälzte sich auf den Rücken und streckte den aufgeblähten Bauch in die Höhe. Frafa schaute an ihm vorbei, aber von den Würsten, den Fleischbällchen, dem Fisch und dem Speck, die sie bislang Richtung Tisch befördert hatte, war nichts mehr zu sehen.
    »Das meiste war noch in Papier eingeschlagen, du gieriges Vieh!«
    Sie sah sich in der Küche um, fand aber nur noch Brot und weitere Backwaren, ein wenig Schmalz in Gläsern und andere Kleinigkeiten. Auf dieser Reise würde sie wohl leben müssen wie ein Mensch. Sie musterte ihr Taschentier mit zusammengezogenen Brauen. Balgir würgte eben ein Stück Papier hervor, und Frafa schaute nicht nach, ob der Fisch noch darin eingewickelt war.
    Frafa war so aufgebracht, dass sie beinahe Salvan überhört hätte. Dabei hatte sie die Küchentüre offen gelassen, damit sie bemerkte, wenn er zurückkam. Sie konnte unmöglich riskieren, dass er an ihr vorbei nach oben in den Turm gelangte und dort womöglich den Gnom aufstöberte!
    Sie rannte nach draußen und erwischte ihn auf der Treppe.
    Salvan grinste breit, als sie ihm entgegenlief. »Frafa!«, rief er. »So stürmisch heute …« Er erkannte ihre Stimmung, und sein Lächeln verschwand. Er streckte die Hand nach ihr aus. »Was ist? Hatte Darnamur für dich keine gute Nachrichten?«
    Frafa wich der Berührung aus. »Es geht nicht um Darnamur«, sagte sie. »Es geht um dich. Um uns.«
    Salvans Blick wurde schmal. »Um uns?«, wiederholte er.
    »Salvan«, sagte sie. »Ich will, dass du meinen Turm verlässt.«
    Salvan stand da und sah sie an. Sie war dankbar, dass sie auf der Treppe zwei Stufen über ihm stand, denn so musste er zu ihr hochschauen. Irgendwie machte es alles leichter.
    »Warum?«, fragte Salvan.
    »Ich …«, setzte Frafa an. Es gab so viele Gründe. Der Gnom. Die Reise. Und sie wollte auch nicht, dass ihr Meister bei seiner Rückkehr einen Fremden in seinem Turm vorfand. Aber nichts davon konnte sie Salvan sagen. Darnamur hatte sie ermahnt, niemandem von ihrer Reise zu erzählen. Und was den Gnom betraf – sie konnte Salvan nicht genug vertrauen.
    Er würde sie verraten.
    Zum ersten Mal formte sie diesen Gedanken in aller Klarheit, und sie wusste, warum sie Salvan aus ihrem Turm heraushaben wollte und dass alles andere nur eine willkommene Ausrede gewesen war.
    »Geh einfach«, sagte sie.
    »Einfach so?«, fragte Salvan.
    Frafa nickte. »Das wäre mir am liebsten.«
    »Aber ich lasse mich nicht einfach fortschicken.« Salvan trat eine Stufe höher. Er stand dicht vor ihr. Sein Mund war verkniffen und seine Finger bewegten sich wie zu einem Zauber.
    Frafa spürte, wie ihre Kehle sich zusammenzog. »Du bist in meinem Turm!« Ihre Stimme klang schrill. Sie hob eine Hand und drückte Salvan von sich weg.
    Salvan wich der Berührung aus und sprang so hastig zurück, dass er beinahe die Stufen hinabfiel. Frafa atmete freier. »Es geht einfach nicht«, sagte sie. »Wir können hier nicht so zusammenwohnen … wie ich mit

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