Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
aus dem Weg. Aber es gibt auch Goblins, die schon länger hier in der Stadt wohnen. Sie fügen sich ein.«
Bleidan hielt kurz inne, dann kam er wieder auf die Fei zu sprechen: »Ebendarum ist zu begrüßen, dass Geliuna viel von dem unbotmäßigen Volk fortgeschickt hat. Sie nutzt die Macht von Leuchmadans Kästchen nicht für den Krieg, sondern um das Land zu heilen.«
»Wenn ihr so zufrieden seid mit der Fei«, sagte Frafa, »was soll dann diese verbotene politische Vereinigung?«
»Die Fei ist auf dem richtigen Weg, aber es könnte noch mehr getan werden«, erklärte Bleidan. »Und du hast recht. Viele legen es der Fei als Schwäche aus, dass sie nicht in Leuchmadans Fußstapfen tritt. Wir müssen darauf sehen, dass die Wölfe nicht die Oberhand gewinnen, die das Land zerfleischen und sich selbst den größten Anteil an der Beute sichern wollen. Wir müssen aus dem Umbruch einen Aufbruch machen!«
Sie gelangten auf die Hauptstraße vor dem Pidon-Tor, und Bleidan verstummte. Er musste sich seinen Weg gegen den Strom bahnen. Sie waren von Menschen umgeben, von stinkenden, zerlumpten Menschen, die durch das Tor aus der Vorstadt hereinströmten.
Viele ehemalige Sklaven wohnten in dem neuen Stadtteil, außerhalb der trutzigen alten Wälle, und kamen nur zum täglichen Dienst in die Altstadt. Sie waren die Unsichtbaren, die putzten und bauten und werkelten, wenn das Tageslicht einen großen Teil des Finstervolkes von den Straßen gefegt hatte.
Frafa blickte sich um, und ihr fröstelte. Sie fasste die echsenförmige Umhängetasche fester. Diese unförmigen und oft bärtigen Gestalten, die um diese Stunde nach Daugazburg strömten, kamen ihr vor wie ein fremdes Heer, das die Stadt stürmte. Und allein unter all diesen Geschöpfen, zwei Nachtalben im Strom der Fremden … da fiel es ihr mit einem Mal schwer, sie nur als unbedeutende Diener und Sklaven zu sehen.
Das Lagerhaus war riesig und so gut wie leer. An den Wänden stapelten sich Bretter. Im hinteren Teil war ein Verschlag abgetrennt, in dem sich ein Kontor verbarg. Mitten in der Halle hatte man große Tische aufgebockt, an denen sich die Freunde des Fortschritts versammelt hatten. Licht sickerte in breiten Streifen durch schmale Fenster hoch oben unter der Decke. Frafa sah die Staubkörnchen darin tanzen wie feine Schneeflocken.
Sie stand in der zweiten Reihe und langweilte sich. Schräg vor ihr stand Bleidan, beide Hände auf den Tisch gestützt, und stritt sich mit anderen Nachtalben, die sie nicht kannte. Ringsum saßen weitere politisierende Gestalten, mit denen Frafa noch weniger anfangen konnte.
Erstaunlich viele Kobolde drängten sich um den Tisch. Sie standen auf rasch hereingerollten Fässchen und anderen Gegenständen, die eigentlich als provisorische Sitzgelegenheiten gedacht waren. Hinzu kamen einige Gnome, überraschend gut gekleidete Menschen in Leinenhemd und schwarzem Rock sowie Angehörige der selteneren Finstervölker – weiß verhüllte Fatu, ätherische Vilas, dunkle Nachtmahre mit großen Fledermausohren. Viele Vampire waren anwesend; sie trugen dichte schwarze Filzmäntel zum Schutz vor dem Sonnenlicht und hatten die Kapuze tief ins Gesicht gezogen.
»Ich bin reicher als die meisten von ihnen«, klagte einer der Menschen. »Wie kann es sein, dass die Fei jeden alten Zauberer einlädt, aber niemanden von jenen, denen Daugazburg seinen Wohlstand verdankt?«
»Wir müssen uns anderweitig Gehör verschaffen«, sagte Bleidan. »Ich rede mit Aldungan. Wir haben Verbindungen. Vielleicht können wir den einen oder anderen der Mächtigen überzeugen, in unserem Sinne zu sprechen. Wenn Geliuna sie einlädt, wären wir so zumindest mittelbar vertreten.«
»Die denken doch nur an sich und ihre eigene Stellung«, wandte ein anderer Alb ein. »Lasst uns einen Ausschuss benennen, der eine offizielle Petition verfasst. Es kann ja nicht sein, dass die Herrin ausnahmslos jede Vereinigung verbietet. Wir sollten es nicht nötig haben, uns in dieser Scheune zu versammeln!«
»Allerdings nicht.« Frafa zuckte zusammen, als eine samtige Stimme gleich neben ihrem Ohr erklang. Ein Vampir! Kurz schimmerte das bleiche Antlitz unter der Kapuze hervor. Unwillkürlich zeigte Frafa dem Geschöpf ihre spitzen Zähne und wich einen Schritt zurück.
Der Vampir zuckte mit den hageren Schultern und richtete sich auf. Frafa sah seinen Umriss nur noch von der Seite, eine finster verhüllte Silhouette, deren Gesicht verborgen blieb. Er versuchte nicht wieder, sie
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