Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
anzusprechen. Frafa entspannte sich.
Vampire waren allgegenwärtig, aber sie wusste, dass es diese Kreaturen noch vor hundert Jahren nicht gegeben hatte. Dann hatte ein Nachtalb namens Skandan einen Weg gefunden, Nachtalben mit Menschen zu kreuzen. Frafa fand schon den Gedanken an eine solche Verbindung abscheulich, und die hässlichen Albinos, die dabei herauskamen, ekelten sie an.
Vampire brauchten menschliches Blut, um zu überleben, und dabei waren sie nicht wählerisch. Aber von der nachtalbischen Seite her konnte nur ihr Erschaffer sie am Leben erhalten. Bekamen sie von ihm nicht regelmäßig eine kleine Blutgabe, siechten sie unter grausamen Schmerzen dahin. Das machte sie zu unfehlbar treuen Söhnen und Töchtern, die von ihrem albischen Elternteil abhängig waren. Vampire waren zur Mode geworden, wenn es im Haushalt eines Nachtalbs eine besondere Vertrauensstellung zu besetzen galt.
Außerdem waren Vampire neu. Frafa hoffte, dass sie nicht als Symbol für die Ziele dieser Fortschrittsfreunde standen.
Unvermittelt fühlte sie sich in dieser Versammlung zutiefst fehl am Platze. Sie dachte zum ersten Mal darüber nach, was hier eigentlich geschah, was das für Leute waren, was sie planten, worüber sie sprachen. Ihre Knie zitterten. Am liebsten hätte sie Bleidan gefasst und hinausgeführt.
Sie trat neben ihn, wagte aber nicht mehr.
»Niemals würde ein Nachtalb sich kaufen lassen!«, sagte Bleidan soeben.
»Warum nicht?«, drang die Stimme einer Fatu durch die Schleier hindurch. »Viele Nachtalben sind sich nicht zu fein, Mittel für ihre Magie in der Stadt zu kaufen. Manch einer von ihnen ist mächtig, aber verschuldet. Oder gierig nach Gold, um noch mächtiger zu werden. Der Mensch hat recht: Wenn wir zusammenlegen, können wir den einen oder anderen im Rat der Fei kaufen und uns auf diese Weise Einfluss verschaffen.«
Frafa wünschte sich, sie wäre zu Hause geblieben. Sie hatte Zeit mit Bleidan verbringen wollen, aber der beachtete sie gar nicht. Wie lange konnten diese Gespräche dauern? Wenn nur dieses eintönige Gefasel rund um den Tisch endlich ein Ende finden würde …
Da flog das große Tor der Halle auf. Ein Nachtalb trat ein, eine Schar bewaffneter Goblins drängte sich hinter ihm. Der Alb trug ein schwarzes Gewand und hatte lange schwarze Haare. Vor diesem düsteren Hintergrund sah er aus wie eine Puppe, die man in viel zu große Gewänder gesteckt hatte.
»Keiner rührt sich«, rief er und hob eine Hand. »Ihr seid verhaftet, im Namen der Fei. Wegen einer verbotenen Versammlung und der Planung eines Aufruhrs.«
Totenstille folgte den Worten. Die Fortschrittsfreunde um den Tisch starrten den Eindringling an, manche erschrocken, andere verständnislos, wieder andere mit undeutbarem Ausdruck im Gesicht. Dann brach der Aufruhr los.
Bleidans Gefährten liefen auseinander. Die Goblins stürmten vor und schwangen ihre Waffen – Speere und Krummsäbel und Äxte. Eine Gruppe floh zur Rückseite der Halle, aber auch dort strömten Goblins aus dem Kontor in den Saal. Frafa hob die Tasche an die Brust und blickte sich hilflos um.
Bleidan strich mit einer Hand über das Taschentier, die andere legte er Frafa auf die Stirn. Im Nu erwachte Balgir zum Leben und zappelte in ihrem Griff. Frafa ließ ihn fallen. Sie spürte Bleidans Berührung tief in ihrem Inneren. Er veränderte etwas.
Dann wandte er sich an einen Gnom neben ihr: »Godar, bring das Mädchen nach Hause. Ich sorge für Ablenkung.«
»Danke für dein Vertrauen, Bleidan.« Der dicke Gnom mit dunklem Borstenkopf klang sarkastisch. »Aber ich kann meine Gestalt nicht ändern. Etwas hemmt mich!« Aufgeregt fingerte er an den Holzknöpfen herum, die hell auf seiner braunen Tuchweste prangten.
Bleidan kniff die Augenbrauen zusammen. »Ich fühle es«, sagte er. »Ein erbärmlicher Zauber.« Er machte eine Geste mit der Hand, als würde er etwas abschneiden, und sogleich verschwand der Gnom. Überall in der Halle wechselten nun die Gnome in ihre kleine Gestalt und waren nicht mehr zu sehen.
Frafa blickte zu Bleidan empor. Sie reichte ihm nur noch bis zum Bauch und schrumpfte immer weiter!
»Was habt Ihr getan?«, fragte sie erschrocken. Sie wollte zurückweichen, aber Bleidan hielt sie fest.
»Pass auf, dass du nicht auf Godar trittst«, sagte er. »Wenn du so klein bist wie er, könnt ihr durch einen Spalt entkommen. Vertrau auf den Gnom. Er kennt sich aus. Deine Tasche findet ja allein nach Haus.«
»Und was ist mit Euch?«, fragte
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