Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
Knall zu. Der Alb wirbelte herum. Wie aus dem Nichts stand ein weiterer Gnom vor ihm. Entsetzt taumelte Fadin zurück. Dranjar, Darnamurs Leutnant, hielt eine gespannte Armbrust aus Drachenknochen in der Hand, und die beinerne Spitze des Bolzens zielte auf Fadins Herz.
»Mein Pfeil fliegt schneller als Euer Zauber«, knurrte er.
Fadin ließ die Hände sinken. Hastig krallte er die Finger in sein Gewand, seine Schultern fielen herab. »Aber …«, stotterte er. »Das kann nicht sein!«
Er drehte sich wieder zu Darnamur um. Der hatte seine Armbrust gespannt in der Schublade aufbewahrt. Jetzt hielt er sie in der Hand und zielte von der anderen Seite auf den Alb. Die beiden Gnome hatten den Kanzler von Daugazburg in die Enge getrieben.
»Wo kommt dieser Gnom her?«, fragte Fadin. Er warf einen Blick über die Schulter zurück, als müsse er sich vergewissern, dass der zweite Gnom nicht nur ein Trugbild war. Seine Stimme klang beinahe vorwurfsvoll, als wäre ihm ein großes Unrecht widerfahren. »Kein Gnom kann sich vor einem Alb verbergen. Ich hätte seine Anwesenheit spüren müssen!«
»Dieses Hindernis haben wir überwunden«, sagte Darnamur. »Wir Gnome können überall sein. Wir sind überall. In unserer kleinen Gestalt beobachten wir alles, aber niemand bemerkt uns.«
»Das kann nicht sein!«, keuchte der Alb.
»Ihr habt es selbst erlebt«, sagte Darnamur. »Mein Begleiter stand hinter Euch. Er hätte Euch töten können, bevor Ihr Euch umgedreht habt. Und seid froh, andere Alben haben wir bereits getötet. Deshalb seid Ihr doch so eilig hereingestürmt, nicht wahr? Ihr wolltet der Fei von seltsamen Vorkommnissen berichten, von Offizieren und Würdenträgern überall in der Stadt, die im Laufe des Tages auf rätselhafte Weise ermordet wurden?«
»Wir haben Gnome erwischt …«, stammelte Fadin. »Und es gab Verletzte. Aber bis jetzt wusste ich nicht …«
Darnamur schnitt ihm mit einer Geste der verbundenen Linken das Wort ab. In der Rechten hielt er weiterhin die Waffe. Ruhig zielte sie auf Fadins Brust.
»Kanzler Fadin«, sagte er. »Es geht mit Euch, oder es geht ohne Euch. Mit Eurer Hilfe geht es leichter. Wenn Ihr nicht mit uns zusammenarbeiten wollt, brauchen wir ein paar Tage länger, und es wird viele Tote mehr geben. Aber zweifelt nicht daran: Wenn Ihr Euch jetzt nicht unterwerft, verschwindet Ihr, genau wie die Goblinwachen vor der Tür. Und am Ende werden wir dennoch bekommen, was wir wollen.«
»Was … wollt ihr?«, presste Fadin hervor. Seine Hände öffneten und schlossen sich wieder. Seine Augen zuckten hin und her, als suchten sie nach einem Ausweg.
»Wir wollen, dass Ihr diese Befehle überbringt, die ich geschrieben habe. Wenn der Kanzler der Fei sie aushändigt, haben sie größeres Gewicht. Der Machtwechsel wird auf diese Weise ruhig und geordnet vonstattengehen.«
»Damit kommt ihr nicht durch!«, rief Fadin. »Niemand wird Gnome als Herren hinnehmen. Mich könnt ihr vielleicht bedrohen. Aber die Goblins lachen über euch. Viele stolze und mächtige Alben werden Anspruch auf den Thron erheben, sobald sich der Tod der Herrin herumspricht. Gestern erst hat sie die Fürsten von Daugazburg empfangen, und die werden niemals Befehle von euch annehmen, ganz egal, wer sie ihnen überbringt!«
»Kanzler Fadin.« Darnamur beugte sich ein Stück vor und lächelte. Die Zähne blitzten auf hinter seinen dünnen Lippen. »Wer sagt denn, dass wir Gnome die Herren sind, nur weil wir die Gegner sind, die Ihr seht? Wäre es nicht schlau von dem künftigen Herrscher der Grauen Lande, zunächst einmal im Verborgenen zu bleiben? Widerstand zu zerschlagen, wo er sich zeigt, aber selbst kein Ziel für seine Gegner zu bieten? Was glaubt Ihr wohl, wer uns die Mittel verschafft hat, uns ungesehen an Alben heranzupirschen? Wir Gnome sind Späher und Meuchelmörder … Doch wer in Zukunft der Herrscher der Grauen Lande sein wird, das muss sich erst noch erweisen.«
»Ihr …« Rasch warf Fadin noch einmal einen Blick über die Schulter zurück auf den Gnom, der hinter ihm stand. »Ihr arbeitet für jemanden? Ein Widersacher der Schwarzen Fei hat das eingefädelt? Wer?«
Darnamur schüttelte den Kopf. »Ich bin hier, um Befehle weiterzugeben, nicht um Eure Fragen zu beantworten. Ihr müsst Euch heute nur entscheiden, auf welcher Seite Ihr stehen wollt.«
Fadins Blick wurde ruhiger, und er hörte auf, seine Hände zu Fäusten zu ballen. Er atmete tief durch und wirkte mit einem Mal gefasster. Dann nickte
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