Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
des Feindes.«
Batha presste die Lippen aufeinander und nickte. Dranjar funkelte sie an.
»Es ist so voll hier drin«, sagte ein uralter Gnom mit weißen Haaren und Runzeln, tief wie Ackerfurchen. Er hatte eine riesige und rötlich angeschwollene Narbe auf der Stirn, wo ihn am Tag der Messer eine Klinge getroffen hatte. »Hätten uns draußen versammeln sollen.«
»Es ist kalt draußen, Greuwa«, sagte Darnamur. »Außerdem konnte man nicht damit rechnen, dass so viele Gnome kommen.«
»Was hast du gesagt?«, fragte der Alte.
»Kalt!«, rief Darnamur.
»Ja, ja«, sagte Greuwa. »Der alte Beuzabar heizt nicht mehr richtig ein in seiner Schenke. Hättest dir was Wärmeres anziehen sollen, Junge, wenn du jetzt frierst.« Er lüpfte ein wenig die Wolldecke, die er über der Schulter trug.
»Beuzabar ist nicht mehr da, Großväterchen«, sagte Magati. »Vom Roten Drachen ist nur noch dieses Hinterzimmer geblieben. Die Fei hat die Schenke gestürmt, hast du das vergessen?«
Der alte Greuwa legte lauschend den Kopf schief. Darnamur hörte nicht mehr zu, sondern stieg auf den Tisch. Er hielt einen kurzen Stoßspeer mit Knochenspitze in der Hand. Mit dem Schaft klopfte er auf die Tischplatte, bis ein wenig Stille im Saal einkehrte und die Aufmerksamkeit der Versammelten sich auf ihn richtete.
»Meine Freunde«, fing er an. »Meine Brüder. Heute ist ein historischer Tag. Die Zeit der Revolution ist vorüber, und wir errichten eine neue Herrschaft. Keine Tyrannei, sondern eine gemeinsame Regierung, in der alle Völker zusammenstehen. Ganz so, wie Wito es uns aufgetragen hat!«
Er hielt kurz inne. Jubelrufe ertönten und schwollen an. Die Gnome trampelten mit den Stiefeln auf den Boden, schlugen mit Waffen und Bechern gegen Wände und Möbel. Darnamur hatte den richtigen Ton getroffen. Für diese Worte zollten ihm selbst die wenigen Beifall, die nicht zu den Knochenmessern gehörten, sondern nur zu Witos Grünen Landen .
»Wir sind heute hier, um unsere Abgesandten zu wählen: zehn Gnome, die uns im Hohen Rat vertreten werden.«
»Ist das nicht etwas überstürzt?«, rief ein rundlicher Gnom, der zwischen Dranjars und Bathas Kompanie eingekeilt stand. Unwilliges Zischen brandete um ihn auf, aber Darnamur hob die Hand und gebot Ruhe.
»Lasst den Gnom seinen Einwand vorbringen. Dies ist eine freie Versammlung.«
Der rundliche Gnom schaute nach links und nach rechts und wischte sich über die Stirn. Er trug feine Kleidung aus rotem Samt. Um seinen Hals lag ein Spitzenkragen. »Ich meine nur, das kommt etwas plötzlich. Vor wenigen Stunden erst erging der Aufruf zu dieser Versammlung, und jetzt wollt ihr die Regierung in einem Hinterzimmer von den Gnomen wählen lassen, die sich zufällig hier eingefunden haben? Sollte nicht ein jeder Gnom an dieser Entscheidung beteiligt sein?«
Darnamur lächelte. »Es wird jeder Gnom beteiligt«, sagte er. »Zugegeben, dies alles verläuft ein wenig überstürzt. Aber ein Heer von Goblins und Alben marschiert auf die Stadt zu. In zwei Tagen muss der Hohe Rat stehen. In ruhigeren Zeiten werden weitere Abstimmungen folgen.«
Darnamur stellte sich auf die Zehenspitzen und schaute über die Versammlung. »Denkt daran: Die Zeiten der Tyrannei sind vorüber. Es wird keine immerwährende Herrschaft geben. Auch die Mitglieder des Hohen Rates werden nicht über euch stehen, sie verwalten nur eure Anliegen gegenüber den anderen Völkern. Die politischen Vereinigungen, die die Fei einst verbieten wollte, sind in Zukunft die wahren Herren von Daugazburg. Wir …« Mit einer weiten Geste wies Darnamur auf die ausgewählten Anhänger, die sich hinter ihm versammelt hatten. »… haben Kandidaten ausgewählt aus den Reihen der Grünen Lande . Und die Grünen Lande stehen jedem Gnom offen. Die Mitglieder treffen sich regelmäßig, in großem und in kleinem Kreise, und jeder kann seine Stimme einbringen. Die Gesandten unseres Volkes, die wir heute wählen, werden ihrer Partei gegenüber jederzeit Rechenschaft ablegen müssen.«
»Ich selbst«, fuhr Darnamur fort, »werde als Protektor zurücktreten, sobald der Hohe Rat sich trifft. Ich habe euch in die Revolution geführt und den Übergang verwaltet. Aber ich wollte die Fei nicht als Tyrann ablösen. Nur dann, wenn ich heute von euch dazu bestimmt werde, nehme ich einen Platz im Rat ein, als Gleicher unter Gleichen.«
»Darnamur!«, rief Dranjar. Er riss sein langes Messer aus dem Gürtel und reckte es in die Luft. »Darnamur!«, rief er noch
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