Der Tag der Rache. Private Berlin
ja, ich hatte vergessen, dass ich am Ende der Welt lebe.« Morgan legte einen Arm über seine Augen. »I ch werde kurz schlafen. Weck mich, wenn…«
Morgan begann einzuschlummern, doch kurz bevor er ganz ins Reich der Träume entschwand, tippte Brecht ihm auf die Schulter. »P avel bekommt Besuch.«
Morgan stöhnte und öffnete die Augen. Nur verschwommen konnte er den Bildschirm erkennen. Eine Frau in langem, dunklem Trenchcoat und mit Regenhut, dessen Krempe weit herunterhing, stand mit dem Rücken zur Kamera vor Pavels Tür. Pavels Stimme war nur gedämpft zu hören: »W er ist da?«
»I ch habe hier eine Lieferung«, antwortete die Frau mit sanftem portugiesischem Akzent, während sie den Gürtel ihres Mantels öffnete.
Die Frau blickte nach rechts und links, ließ sich den Mantel von den Schultern gleiten, als das Schloss mit einem Klacken entriegelt wurde, und stand schließlich splitterfasernackt vor der geöffneten Tür.
Pavel riss vor Freude die Augen auf. »L ieferung angenommen.«
Die Frau ließ sich von ihm in die Arme nehmen, und die Tür wurde hinter ihnen wieder geschlossen.
»W er ist diese Göttin?«, fragte Brecht. »I ch habe ihr Gesicht nicht gesehen.«
Morgan schüttelte ungläubig den Kopf. »I ch auch nicht, aber diesen tränenförmigen Hintern erkenne ich jederzeit. Das, mein Freund, war Perfecta.«
34
Als die Haustür ins Schloss fiel, hatte sich Agnes Krüger, die Ehefrau des Milliardärs Hermann Krüger, wieder im Griff. »M ein Sohn rühmt sich, ein Anarchist und Künstler zu sein«, entschuldigte sie sich. »E r hasst meinen Mann des Geldes wegen.« Sie lächelte verbittert. »A ber die zehntausend Euro, die Hermann ihm jeden Monat überweist, lehnt er nicht ab.« Mit einem bissigen Lachen sah sie Mattie an. »H aben Sie Kinder?«
»J a. Einen Sohn.«
»R udi ist ebenfalls Einzelkind«, begann sie und zögerte. »A ber seinetwegen sind Sie nicht hier.«
»N ein«, antwortete Katharina. »W ir sind hier, weil Chris Schneider tot ist.«
»T ot?« Agnes Krüger war schockiert. »W ie das? Er war doch noch so jung.«
Katharina bot ihr einen Abriss der Ereignisse. Mattie hörte zu, als spräche Katharina eine unverständliche Fremdsprache.
»I n einem Schlachthaus?«, fragte Agnes Krüger nach. »W arum?«
»D as wissen wir nicht«, antwortete Mattie. »W ir hatten gehofft, Sie können uns helfen.«
»W o war Hermann in den vergangenen Wochen?«, wollte Katharina wissen.
Agnes Krüger rutschte nervös auf ihrem Stuhl hin und her. »E r war die meiste Zeit hier in Berlin, glaube ich. Fragen Sie seine Sekretärin.«
»H abe ich getan«, sagte Katharina. »S ie sagt, er sei geschäftlich unterwegs.«
»O der kümmert sich um seine Geliebten.«
»L ebt er nicht mit Ihnen zusammen?«, fragte Mattie.
Agnes Krügers Gesicht zuckte, als litte sie Schmerzen. »H ermann hat hier ein Bett, das er von Zeit zu Zeit benutzt. Kommt und geht, wie es ihm gefällt. Ist ihm total egal, ob ich hier bin oder nicht.« Sie warf Mattie, die ihr Vertrauen gewonnen zu haben schien, einen intensiven Blick zu. »E r war nicht immer so. Zumindest glaube ich das. Aber heute bildet er sich ein, dass mit Geld alles möglich ist.«
»W o haben Sie sich kennengelernt?«, fragte Mattie.
»H ier in Berlin kurz nach dem Mauerfall. Zum ersten Mal richtig Geld verdient hat er gleich am Anfang mit dem Verkauf von Textilien in den befreiten Osten. Ich habe für ihn als Sekretärin gearbeitet. Rudi war noch ein Baby. Mein erster Mann hatte mich kurz vorher verlassen, und, nun ja, Hermann kann gut reden.«
»J emand, der weiß, wie man Geld verdient«, kommentierte Katharina.
»E r und der Kapitalismus– die beiden waren wie geschaffen füreinander.«
»D as verstehe ich nicht«, erwiderte Mattie.
»E r wuchs in Ostberlin auf, doch gleich nach dem Mauerfall war er nicht mehr zu bremsen.«
»G enauso wie Chris.«
Wieder betrachtete Agnes Mattie eingehend. »F ür Sie war er mehr als ein Kollege.«
Zum zweiten Mal innerhalb von vierundzwanzig Stunden fragte sich Mattie, ob sie so leicht zu durchschauen war. »M ein Exverlobter«, gestand sie Agnes Krüger gegenüber ein.
»A ch, Sie Ärmste.« Agnes Krüger legte ihre Hand an die Lippen. »D as tut mir so leid, Frau Engel.«
Mattie nickte und schluckte.
Wieder verzog Agnes Krüger schmerzvoll ihr Gesicht. »U nd Sie glauben, mein Mann könnte etwas mit seinem Tod zu tun haben?«, fragte sie nach einer Pause.
»W as glauben Sie?«, meldete sich
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