Der Tag der Rache. Private Berlin
zu.
Plötzlich hörten sie am Westeingang zur Festhalle Schüsse und Schreie.
74
Ein Wachmann hatte sich dem Fliehenden entgegengestellt und dafür einen Schuss mitten in die Brust kassiert. Aus seiner eigenen Waffe hatte sich beim Sturz ein Schuss gelöst. Hinter dem Wachmann, schon draußen vor dem Eingang, rannte ein Mann in blauer Windjacke und mit schwarzer Kappe Richtung Brüsseler Straße. Tom stürmte los, keuchend gefolgt von Mattie.
Als Mattie und Tom den Eingang erreichten, hatte der Mörder einen Mann aus einem Maserati gezerrt, mit seiner Pistole niedergeschlagen und stieg gerade ein. Mit quietschenden Reifen raste er los. Es begann wieder zu regnen.
Während Tom weiterrannte, hielt er einem Mann, der schockiert neben seinem BMW Coupé stand, seine Dienstmarke vor die Nase. »R ufen Sie die Polizei!«, rief er dem Mann zu und entriss ihm den Schlüssel.
»H ey!«, rief der Mann zurück. »D as ist nicht meiner. Sie können nicht…«
»G eben Sie durch, dass dieser Wagen von Private Berlin konfisziert und der Maserati von einem Mörder gestohlen wurde«, wies Tom den Mann an, während er auf den Fahrersitz sprang. »E r hat zwei Menschen umgebracht.«
Mattie saß auf dem Beifahrersitz des BMW und schnallte sich an. »E r hat einen gewaltigen Vorsprung.«
»U nd er hat mehr PS «, merkte Tom an, der den Gang einlegte und die Kupplung kommen ließ. »A ber er fährt nicht so gut wie ich.«
Sie jagten dem Maserati hinterher, der heruntergeschaltet hatte und Richtung Osloer Straße umgekehrt war, so dass er jetzt auf der anderen Straßenseite direkt an ihnen vorbeifuhr. Der Mörder sah zu ihnen herüber. Glatze, dunkle Brille, Schnurrbart. Alter schwer zu schätzen.
Er war bereits nach rechts auf die Osloer Straße eingebogen, als Tom mit dem BMW die Fahrtrichtung wechselte. Der Maserati bog immer wieder nach rechts, umrundete das Messegelände und überfuhr eine rote Ampel auf der B44 Richtung Westen. Vierhundert Meter vor dem BMW fuhr er auf die A648.
Dank Toms bemerkenswerten Fahrkünsten konnte der Mörder den Abstand bis zum Westkreuz Frankfurt nicht vergrößern. Hier bog er auf die A5 Richtung Norden ein.
»R uf die Polizei«, sagte Tom zu Mattie. »S ag ihnen, sie sollen ihn mit einem Hubschrauber verfolgen, und gib ihnen die Position durch.«
Doch in dem Moment begann es wie aus Eimern zu schütten, und die Scheibenwischer drohten, ihren Dienst zu versagen. Tom drosselte sein Tempo keineswegs, sondern schien sich wie von Blindenschrift geleitet zwischen den Autos hindurchzulavieren, als hätten sie einen klaren Himmel über sich.
Mattie hatte Angst, sie schaffte es nicht, den Blick von der verschwommenen Straße abzuwenden.
»R uf an!«, schnauzte Tom.
»E rst, wenn du langsamer fährst!«, rief Mattie zurück.
»G eht nicht, weil er uns sonst entwischt!«
»W ir sehen doch gar nicht, wo er ist!«
»I ch sehe die Bremslichter der Autos, denen er den Weg abschneidet!«
Mattie fürchtete um ihr Leben, während Tom den Abstand immer mehr verringern konnte. Sie erinnerte sich an das Versprechen, das sie Niklas gegeben hatte: Sie werde bei dem Versuch, Chris’ Mörder zu finden, nicht sterben.
Einen Moment lang dachte Mattie, Tom würde nördlich der Rosa-Luxemburg-Straße den Maserati von hinten rammen.
Durch die etwas dünner werdende Regenwand sah Mattie, wie er an der Ausfahrt Bad Homburg vorbei- und unter einer Unterführung hindurchzischte, während Tom immer mehr aufholte. Er schien wegen der von der A661 auf die A5 auffahrenden Autos zu bremsen, trieb dann aber plötzlich, vom Wahnsinn gepackt, von der Spur ab und drehte sich um hundertsechzig Grad Richtung Auffahrt.
Mattie riss die Augen auf und keuchte, während sie an der Auffahrt vorbeischossen. »D er fährt entgegengesetzt der Fahrtrichtung!«
75
Freunde, von der A5 als Geisterfahrer in den Gegenverkehr auf die A661 zu biegen war das Beste, was ich je getan habe. Es ist bemerkenswert, wie einem die entgegenkommenden Fahrzeuge ausweichen, wenn man, dem Tod ins Auge blickend, auf sie zurast.
Ein Lancia berührt meinen vorderen Kotflügel, wird gegen die Leitplanke geschleudert und überschlägt sich. Das entsetzte Gesicht des Fahrers bringt mich zum Lachen. So viel Spaß hatte ich schon seit Jahren nicht.
Und es kommt noch besser. Ein Blick in den Rückspiegel verrät mir, dass der rote BMW , der mich verfolgt, die plötzliche Kehrtwendung nicht geschafft hat. Man muss immer das Unerwartete tun. Es zahlt sich
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