Der Tag der roten Nase
kurieren die Nase.«
Sie ist ein guter Mensch, dachte ich, sie will mich nicht noch mehr in Verlegenheit bringen. Irgendwie wurde mir auch von dem »Später« ganz warm ums Herz. Ich hatte es nicht eilig, wegzukommen.
Der Kaffee war fertig, die Tassen schnell gefüllt. Was den Hefegebäckduft betraf, hatte ich mich getäuscht, es war Obstkuchen, Johannisbeeren, rot und schwarz gemischt. Auch der war schnell aus dem Ofen und auf dem Tisch. Wir guckten ein bisschen nach draußen, wo der Hausmeister auf die Knie gesunken war und sein Lärmgerät durch Zerren an einer Schnur wieder in Betrieb zu setzen versuchte, wir klirrten mit den Tassen, pusteten auf den heißen Kuchen und fingen dann an, ihn zu mümmeln, wir sahen uns nicht so viel an, ich war wahrscheinlich auch gar kein so angenehmer Anblick, vielleicht sollte ich mal ins Bad gehen, dachte ich, nachsehen, was für eine furchtbare Hässlichkeit aus ihr geworden ist, der Nase, aber jetzt bleiben wir erst noch ein bisschen bei diesem himmlischen Kuchen sitzen.
»Der Kuchen ist himmlisch«, sagte ich, und da ging es dann wieder, das Reden, weil die Nase nun nicht mehr tropfte. Es war nichts Besonderes, nur ein ganz normales, leises, langsames und wie von selbst seine Richtung einschlagendes Gespräch, Schön wenn’s schmeckt, Und ob es schmeckt, Eigene Ernte vom Sommerhaus, Aha und wo steht das euer Häuschen, In Karjalohja, Schöne Gegend, Nicht wahr, Hügelig, Ziemlich, Auch schön grün, Wenn man nur öfter hinkäme, Was hindert dich denn daran, Die Familie, Ach so, Vor allem natürlich die Kinder weil Teenagern dort langweilig wird, Die haben ihre Freunde und alles hier, In dem Alter will man sie aber auch noch nicht alleine zu Hause lassen, Die Welt der jungen Leute kommt einem heutzutage so gefährlich vor, So ist es, Die ganzen Schießereien und Brände und alles, Das ist furchtbar, Ich will dir jetzt aber keine Angst machen, Mir ist das auch so klar, Trotzdem Entschuldigung, Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, Na dann, Es ist bloß so dass man wegen all dieser entsetzlichen Sachen denkt man muss immer da sein, Das ist Schwerstarbeit, Du sagst es, Irgendwie hat man manchmal das Gefühl als wäre die ganze Welt aus den Angeln geraten.
Damit war mir etwas dermaßen Großes herausgerutscht, dass ich erst mal seufzen und lauschen musste, auf das Ticken der Uhren, auf das Knacksen des abkühlenden Backofens und auf das ferne Rauschen in der Wasserleitung; eine Zeitlang waren das die einzigen Geräusche in der Küche und vielleicht sogar im ganzen Haus. Der Redefluss war jedoch nicht erstarrt, beim Kaffeetrinken und Kuchenkauen kam er langsam wieder in Gang, führte über ein paar Schleifen zu leichteren Themen, zu kleinen Bemerkungen hier und da, über die Küche,über die Wohnung, über das Grundstück rundum, den Rasen, dessen Pelz die Höllenmaschine des Hausmeisters gerade sträubte. Und plötzlich waren wir auch schon wieder weiter und tiefer, nicht beklemmend, sondern eher angenehm und schwesterlich, gleichberechtigt baff vor dem seltsamen Problembündel des Lebens; ich erzählte ein bisschen von meinem Sohn, davon, dass ich mir Sorgen machte, ganz gleich wie erwachsen er war, oder vielleicht gerade deshalb, und Irja war natürlich voll und ganz meiner Meinung oder doch ziemlich meiner Meinung, wie sie sagte, und darüber lachten wir natürlich herzlich. Ich weiß nicht, wie es wieder ins Familienleben abglitt, das Gespräch, aber irgendwann waren wir an dem Punkt angelangt, an dem Irja seufzte und aus dem Fenster schaute und irgendwie völlig farblos sagte, jetzt hätten sie in der Werkstatt auch ihren Mann beurlaubt, einfach so, ganz überraschend, das war natürlich eine schreckliche Nachricht, und sie klang durch die fahle Sachlichkeit, mit der sie erzählt wurde, noch schrecklicher, sofort machte man sich Sorgen und musste fragen, ob sie denn über die Runden kämen, worauf Irja dann erwiderte, Na klar kommen wir über die Runden, Ganz sicher, Wir werden jedenfalls nicht gleich auf der Straße stehen, Ganz sicher, Ja ja glaub es mir einfach, Na dann, Was mir am meisten Sorgen macht ist dass der Kerl den ganzen Tag dasitzt und vor sich hin grummelt, Die Männer, Eben, Irgendwie würde ich gern helfen, Tja, Auch wenn wir uns nicht so gut kennen macht man sich doch Sorgen, Das ist schön dass es noch Leute gibt die sich um andere kümmern, Das müssen wir, Wir müssen das und irgendwie ist das wunderbar und schön, Wir sind schließlich immer noch
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