Der Tag der Traeume
nachdenken. Stattdessen betrachtete er seine Schwägerin. Abgesehen davon, dass sie von innen heraus zu glühen schien, war ihr nichts anzusehen. Er machte Anstalten, aufzustehen und sie zu umarmen, doch sein Kopf war dagegen.
Charlotte kam zu ihm, legte ihm eine Hand auf die Schulter und kicherte leise. »Gratulieren kannst du mir später, wenn es dir besser geht.« Dann setzte sie sich zu ihm. »Rick, wir haben dir nicht nur deshalb die Wahrheit verschwiegen, weil wir deiner Mutter einen Denkzettel verpassen wollten. Ich weiß, dass das unverzeihlich war. Aber als wir wieder nach Hause kamen, habe ich gemerkt, wie labil der psychische Zustand meiner Mutter immer noch war. Ihre Depressionen …« Sie schüttelte den Kopf. »Die Medikamente schlugen noch nicht richtig an. Deswegen wollte ich noch ein paar Wochen warten und ihr erst dann von meiner Schwangerschaft erzählen, wenn sie die Neuigkeit verkraften kann. Und so habe ich dann Roman gebeten, niemanden etwas vor Rainas wahren Gesundheitszustand und unserem Kind zu verraten.«
Rick musterte die Frau, die das Glück seines Bruders perfekt gemacht hatte. In ihren großen grünen Augen las er aufrichtiges Bedauern. Wie konnte er ihr böse sein? Seufzend legte er ihr eine Hand auf die Schulter. »Ich mache dir deswegen keine Vorwürfe.«
Sie bedachte ihn mit einem dankbaren Lächeln. »Es war trotzdem nicht richtig.«
Roman nickte zustimmend. »Und als wir endlich soweit waren, mit der Wahrheit herauszurücken, hattest du Kendall kennen gelernt. Und da konnte ich dir beim besten Willen nicht mehr sagen, dass Mom uns mit ihrer erfundenen Herzschwäche aufs Glatteis geführt hat.«
»Und warum bitteschön nicht?«
Roman verdrehte die Augen, als läge der Grund auf der Hand. Ricks Frust wuchs.
»Ich konnte es dir nicht sagen, weil Kendall seit Jillian die erste Frau war, für die du ernsthaftes Interesse gezeigt hast. Und ich hoffte, es würde mit euch beiden so gut klappen wie mit uns.« Er nickte zu Charlotte hinüber. »Deshalb wollte ich dir keinen Vorwand liefern, aus Enttäuschung und Ärger über unsere Mutter nun auch Kendall auf Abstand zu halten. Nicht, wo du ganz offensichtlich bis über beide Ohren in sie verliebt warst. Deshalb habe ich Mom auch verboten, mit der Wahrheit herauszurücken, als ihr Gewissen sie zu drücken begann.«
Rick runzelte ungläubig die Stirn. »Mom wollte uns reinen Wein einschenken?«
Roman hob beide Hände. »Allerdings. Sie hatte genug davon, die Kranke zu spielen, weil sie ihre Aktivitäten dadurch auf ein Mindestmaß beschränken musste. Aber ich habe dafür gesorgt, dass sie den Mund hält. Die Komödie weiterspielen zu müssen war eine sehr wirkungsvolle Strafe dafür, dass sie uns alle zum Narren gehalten hat.«
Rick zwickte sich in die Nasenwurzel. Zum Glück begann das Aspirin allmählich zu wirken, das Hämmern in seinem Kopf ließ nach, und er konnte wieder klarer denken. »Ich glaube es einfach nicht. Jetzt hast du dich auch noch als Amateurpsychologe und Ehevermittler betätigt!«
Aber nachdem er einen Moment lang über die ganze verfahrene Situation nachgedacht hatte, kam Rick zu dem Schluss, dass Romans Erklärungen einen Sinn ergaben, wenn auch einen ziemlich verqueren. »Aber dir ist schon klar, dass du keinen Deut besser bist als unsere Mutter?«
Roman lief tatsächlich rot an. »Hinterher ist man immer schlauer«, murmelte er.
Charlotte seufzte nur. »Mehr wäre dazu wohl nicht zu sagen.«
Rick stöhnte. »Stimmt, es reicht. Wisst ihr, dass ihr beide sogar einem vollkommen nüchternen Mann Kopfschmerzen bescheren würdet?«
Roman lachte, und obwohl Rick ihm einen finsteren Blick zuwarf, stimmte er schließlich mit ein. Im Grunde genommen konnte er Roman nicht für eine Situation verantwortlich machen, die Raina geschaffen hatte und mit der er sich wohl noch eine Weile abfinden musste. Alle Chandler-Brüder hatten schon immer zusammengehalten wie Pech und Schwefel, daran konnte nichts und niemand etwas ändern – außer einer Frau. In Romans Fall war das Charlotte, und da Rick wusste, was er notfalls alles Kendall zuliebe auf sich nehmen würde, hatte er kein Recht, seinen jüngeren Bruder zu verurteilen.
»Ich nehme an, das Kriegsbeil ist somit begraben?« Charlotte fixierte Rick, bis er ihrem Blick nicht länger ausweichen konnte.
»Ich denk drüber nach.« So einfach sollte Roman nicht davonkommen. Wenn er Blut und Wasser schwitzte, bis Ricks Kater verflogen war, war das Ricks Meinung nach der
Weitere Kostenlose Bücher