Der Tag der Traeume
familiären Probleme zu konzentrieren statt auf sein verkorkstes Liebesleben. Vor ihm lagen noch genug endlose Tage und Nächte, während derer er darüber nachgrübeln konnte.
»Stimmt. Das hätte ich vermutlich sogar tun müssen. Zu Charlottes Ehrenrettung muss ich hinzufügen, dass sie mich regelrecht bestürmt hat, dir sofort reinen Wein einzuschenken.«
»Und warum hast du nicht auf sie gehört?«
»Meine Entschuldigung würde kein Richter gelten lassen«, erwiderte Roman trocken. »Ich war zu glücklich, um mir über solche Dinge den Kopf zu zerbrechen. Und ich dachte, es wäre nicht weiter schlimm, wenn ich noch ein paar Wochen den Mund halte. Himmel, ich redete mir sogar ein, es würde Mom vielleicht gelingen, dich mittels dieser linken Masche mit einer genauso tollen Frau wie Charlotte zu verkuppeln. Bei mir haben ihre Intrigen ja auch zu einem guten Ende geführt.«
Rick hob die Brauen, obwohl augenblicklich ein sengender Schmerz durch seine Schädeldecke schoss. »Man sollte dich standrechtlich erschießen!«
Roman zuckte die Achseln. »Vermutlich.«
»Und was war nach deiner Rückkehr in die Staaten? Was hat dich da davon abgehalten, mir Moms Geheimnis zu verraten?«
Roman rang sichtlich mit sich, dann lehnte er sich stöhnend zurück, ohne dabei Charlottes Hand loszulassen. Vermutlich brauchte er ihre Unterstützung, er wand sich nämlich wie ein Aal, was Rick zufrieden zur Kenntnis nahm. Er hatte keine Ahnung, mit welcher Ausrede sein kleiner Bruder sein Verhalten rechtfertigen wollte.
»Du weißt ja, dass wir über einen Monat weg waren«, begann Roman schließlich. »Ich wollte Mom keine allzu lange Gnadenfrist mehr lassen, aber Charlotte und ich hatten alle Hände voll damit zu tun, das Apartment in D. C. einzurichten, ich musste mich in meinem neuen Job zurechtfinden, und du wirst ja wohl selbst zugeben, dass du ihre Versuche, eine Frau für dich zu finden, anfangs noch ganz witzig fandest.« Wieder zuckte er die Achseln. »Also habe ich die Sache schleifen lassen. Länger, als ich es hätte tun dürfen.«
»Verdammt richtig.« Rick legte den Kopf schief, ein Fehler, den er sofort bereute. »Was hat dich denn nun wirklich davon abgehalten, die Karten auf den Tisch zu legen?«
»Wir beide kennen doch den Grund für Moms Spielchen. Sie will, dass wir die Frau fürs Leben finden und mit ihr glücklich werden, aber vor allem möchte sie endlich …«
»Enkel«, beendete Rick den Satz. Immerhin wies Raina sie seit Jahren bei jeder Gelegenheit darauf hin.
»Richtig. Und ich fand, nach dem ganzen Theater, das sie veranstaltet hat, verdiente sie es einfach nicht, dass ihr Herzenswunsch so schnell in Erfüllung geht. Ich wollte sie ein Weilchen schmoren lassen. Wenn ich ihr erzählt hätte, dass Charlotte schwanger ist, hätte sie vermutlich …«
»Chase und mich in Ruhe gelassen?«, fragte Rick. »Das wäre uns beiden sehr recht gewesen. Warum zum Teufel hast du ihr dann nicht gesagt, was sie hören wollte, und dann die Bombe platzen lassen? Dann hätte sie ihre hirnrissigen Pläne vielleicht ad acta gelegt.«
»Weil Raina nicht so ist wie andere Mütter und man bei ihr nichts als selbstverständlich voraussetzen darf. Tatsache ist, dass sie uns alle glücklich verheiratet sehen möchte. Wenn sie von Charlottes Schwangerschaft wüsste, wäre sie nur noch überzeugter davon, das Richtige zu tun, und würde erst recht alles dransetzen, Chase und dich ebenfalls unter die Haube zu bringen.«
Rick musste an das Vampkostüm denken, in dem Lisa ihn, ermutigt durch seine Mutter, hatte verführen wollen, und schüttelte den Kopf. Sofort begannen vor seinen Augen ein paar Sterne zu tanzen. »Ich bin mir nicht sicher, ob Mom überhaupt noch steigerungsfähig ist«, brummte er. »Und wenn du hier gelebt hättest, wüsstest du das.«
Roman senkte den Blick. »Ich gebe ja zu, dass ich keine Ahnung hatte, wie hart sie dir zugesetzt hat. Jedenfalls habe ich Mom gesagt, Charlotte und ich wollten erst eine Weile unser Leben genießen, ehe wir eine Familie gründen. Ich wollte sie halt ein bisschen zappeln lassen.«
Rick hatte schon den Erklärungen seines Bruders kaum folgen können, aber jetzt begriff er gar nichts mehr. Nur eines war hängen geblieben. Charlotte war schwanger. Sie erwartete den ersten Spross einer neuen Chandler-Generation. Er war stolz auf seinen kleinen Bruder, freute sich aufrichtig für ihn, aber diese Freude war mit einem Hauch von Neid vermischt. Doch darüber wollte er jetzt nicht
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