Der Tag der Traeume
eine Braue. »Eine Frau, die meine Ansichten über die Ehe teilt? Das ist ja noch unwahrscheinlicher als ein Sechser im Lotto.« Er konnte sich keine Frau vorstellen, die beim Anblick eines Brautkleides nicht unweigerlich feuchte Augen bekam. Aber diese hier war Kendall, und sie war offenbar in mehr als einer Hinsicht einzigartig. Kein Wunder, dass sie einen so starken Reiz auf ihn ausübte.
»Willst du mir weismachen, dass dir noch nie eine Frau begegnet ist, die es vorzieht, auf eigenen Füßen zu stehen, statt sich von einem Ehemann abhängig zu machen?«
»Nicht in dieser Stadt. Hier scheinen alle nach Kräften auf einen Ehering hinzuarbeiten.«
Ihre Augen wurden groß, die Neugier darin war nicht zu übersehen. »Es muss doch auch hier ein paar Frauen geben, die sich ihre Unabhängigkeit bewahren möchten, um tun und lassen zu können, was sie wollen.«
»Ist das dein Lebensmotto?«, fragte er prompt.
Kendall nickte. Rick hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. »Ich bin eben eine richtige Vagabundin«, gestand sie mit einem spöttischen Grinsen.
»Und warum?«
Die Antwort lag in ihrer Vergangenheit verborgen. Indem sie von einem Ort zum anderen zog, vermied sie es, zu irgendwem und irgendetwas eine engere Bindung aufzubauen. Aber sie hatte nicht vor, Rick all ihre persönlichen Probleme auf die Nase zu binden, also zuckte sie nur leicht die Achseln. »Ich kenne es nicht anders.«
»Du hattest eine unstete Kindheit, ich weiß.« Offenbar erinnerte er sich noch an einiges, was er über ihre Vergangenheit gehört hatte. »Aber allmählich könntest du doch aufhören, in der Welt herumzuzigeunern. Hast du nie daran gedacht, mal irgendwo sesshaft zu werden?«
»Nicht in diesem Leben.« Das hatte sie alles schon hinter sich, dachte Kendall. »Ich habe gerade zwei Jahre in New York gelebt, um in Tante Crystals Nähe zu sein und ihre Heimrechnungen zu bezahlen. Jetzt muss ich mal zuerst an mich denken.«
Er nickte verständnisvoll.
»Warum setzen wir uns nicht?«, schlug sie vor.
»Gute Idee.« Rick deutete auf das Sofa, das wie alle anderen Möbelstücke im Gästehaus mit großen Tüchern abgedeckt war. Hier hatte scheinbar so lange niemand mehr gewohnt, dass ein Haufen Arbeit auf sie wartete – selbst wenn sie nicht lange bleiben wollte.
Sie ließ sich neben ihm auf das Sofa sinken. »Tut mir Leid, dass ich dir noch nicht einmal eine saubere, bequeme Sitzgelegenheit anbieten kann.«
Er zuckte die Achseln. »Halb so wild.«
»Dann erzähl mir doch mal von den Frauen von Stepford«, lenkte sie das Gespräch wieder auf seine Person zurück.
Rick kicherte. »Ganz so schlimm ist es nun auch nicht. Meine Mutter war krank, und seitdem lässt sie der Gedanke nicht los, dass es für ihre Söhne Zeit wird, endlich zu heiraten und ihr Enkelkinder zu schenken.« Er wurde merklich ernster, als er die Krankheit seiner Mutter erwähnte. »Und deshalb hat sie einen groß angelegten Feldzug gestartet, an dem alle Frauen der Stadt begeistert teilnehmen.«
Kendall musste an Pearl denken, die gesagt hatte, Ricks Mutter würde ihr enkelkinderloses Schicksal bejammern. Anscheinend tat sie einiges mehr als das. »Du armer Kerl. Muss ja schrecklich sein, wenn sich einem sämtliche Frauen der Stadt an den Hals werfen.« Sie schnalzte mitfühlend mit der Zunge, obwohl ein Teil von ihr doch tatsächlich eifersüchtig war, weil außer ihr noch andere Rick Chandler attraktiv fanden. Zwar hatte sie selbst nicht den geringsten Wunsch, zu heiraten und sesshaft zu werden, aber sie konnte verstehen, dass Frauen, für die die Erfüllung des Lebens darin bestand, sich einen Ehemann zu angeln, Rick als guten Fang betrachteten.
»Glaub mir, es ist wesentlich unangenehmer und lästiger, als es klingt – vor allem, weil ich nicht interessiert bin.«
»Umso erstaunlicher, dass du so offen mit mir darüber sprichst.«
»Du würdest ohnehin bald alles erfahren. Pearl dürfte die Geschichte von deiner spektakulären Ankunft inzwischen überall herumgetratscht haben.« Er fuhr sich mit der Hand durch das volle, dunkle Haar. »Du bist sozusagen gebrandmarkt.«
Kendall musste lachen, weil ihr einfiel, wie Rick sie über die Schwelle getragen hatte, während Pearl gleichzeitig Here comes the Bride summte, Eldin ausschalt und seine Rückenprobleme als Grund für ihre Weigerung vorschob, ihn zu heiraten. Kendall hätte zu gerne angemerkt, dass Eldin ganz versessen darauf schien, ihr einen Ring an den Finger zu stecken, aber sie spürte, dass
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