Der Tag der Traeume
die Idee verfallen, so die Aufmerksamkeit auf ihr Geschäft zu lenken und ihr zu mehr Umsatz zu verhelfen. Charlotte hatte Rick informiert, sich aber geweigert, Anzeige zu erstatten oder das Gespräch auch nur aufzeichnen zu lassen und geschworen, alles abzuleugnen, wenn Rick den Mann verhaftete. Rick hatte sich schließlich überreden lassen, den Fall zu den Akten zu legen. Daher stand Charlotte in seiner Schuld, und heute war der Tag gekommen, das Konto auszugleichen.
Er sah sie so lange unverwandt an, bis sie den Blick senkte, demonstrativ gähnte und sich reckte. »Du hast Recht, Rick, ich bin fix und fertig. Wir können ja morgen zusammen frühstücken.«
Roman stöhnte genervt. »Na schön, dann bringe ich meine Frau jetzt nach Hause ins Bett, und ihr zwei könnt mit dem weitermachen, wobei wir euch eben gestört haben.« Er warf einen viel sagenden Blick in Richtung Damentoilette.
Kendall seufzte. »Ich weiß, wie das ausgesehen haben muss, aber ich schwöre euch …«
»Eine Erklärung erübrigt sich«, unterbrach Charlotte. »Da Raina nebenan ist, bin ich sicher, dass ihr nur mal einen Moment ungestört sein wolltet.«
Kendall lachte. Rick dagegen fand die Bemerkung weniger lustig, da es ihm nicht nur um einen Moment, sondern um eine ganze Nacht ging.
»Treffen wir uns morgen früh zum Frühstück?«, fragte Charlotte Kendall, als Rick sie mit sich ziehen wollte.
»Gern.«
»Neun Uhr«, rief Charlotte ihr nach, dann brach sie in haltloses Gekicher aus, in das Roman mit einstimmte.
Rick drehte sich weder um, noch blieb er stehen, bis sie draußen auf der Straße angelangt waren.
»Du warst ziemlich unhöflich zu Roman und Charlotte«, tadelte Kendall ihn, sowie sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte.
»Sie sind jung verheiratet, sie werden das verstehen.« Er drückte ihre Hand fester.
»Ich wohne da oben.« Er deutete zu einer schmalen Straße hinüber, die an Charlotte’s Attic vorbeiführte.
Kendall spähte um die Ecke. »Ich wusste, dass du in der Stadt wohnst, bloß nicht, wo genau.«
Rick nickte. »Als Roman und Charlotte geheiratet haben, bin ich in Charlottes Apartment gezogen, und die beiden haben sich ein Haus im Neubaugebiet gekauft.«
Obwohl er Smalltalk betrieb, wusste Kendall genau, worauf er wirklich hinauswollte. Aber er sagte nichts mehr, sondern wartete darauf, dass sie den nächsten Schritt tat. Er hatte ihr gezeigt, wo er wohnte und wollte nun wissen, ob sie mit zu ihm kam. Mit ihm schlafen, die ganze Nacht mit ihm verbringen würde. Ein Schauer überlief sie, und eine wohlige Wärme breitete sich in ihrem Körper aus.
Als sich ihre Blicke trafen, schluckte sie hart. Noch nie war sie sich eines Mannes oder seines Interesses an ihr als Frau so bewusst gewesen, und noch nie hatte sie diese Aufmerksamkeit so genossen. Nie hatte sie einen Mann so begehrt wie Rick jetzt.
Trotz ihres Hanges zu impulsivem Handeln hatte Kendall diesmal das Gefühl, sich gut überlegt zu haben, was sie tat, statt sich wieder einmal Hals über Kopf in ein Abenteuer zu stürzen, dessen Ausgang ungewiss war. Sie wandte sich zu Rick und lächelte ihm zu. »Geh du voraus.«
Rainas Blick wanderte über die vertrauten Vogelhäuschen, die die Wände zierten, dann über die Menschen, die sie als ihre Freunde betrachtete und die in Gruppen beisammen standen und sich fröhlich unterhielten. Während sie in diesem Lehnstuhl sitzen musste. Allein. »O verdammt«, murmelte sie grimmig.
Sie hasste es, still in einer Ecke hocken zu müssen, während das Leben um sie herum weiterging. Rick hatte Kendall direkt unter ihrer Nase aus dem Restaurant weggeschleppt, offenbar konnte er es gar nicht erwarten, endlich mit ihr allein zu sein. Wie es aussah, war Rainas Einsatz als Vermittlerin hier nicht vonnöten. Warum also spielte sie immer noch die Leidende, zumal sie dieser Unsinn auch noch daran hinderte, aktiv am Geschehen im Raum teilzunehmen?
»Stimmt was nicht?« Eric zog sich einen Stuhl heran und setzte sich zu ihr.
»Wird auch Zeit, dass du dich endlich hier blicken lässt«, grollte Raina. Eric war nicht nur ihr Freund, sondern auch der einzige Arzt der Stadt. Zu ihrem großen Verdruss war er bei jedem seiner Freunde und Patienten stehen geblieben, um einen kleinen Schwatz zu halten, während sie selbst sich gezwungen sah, sich in Geduld zu fassen und abzuwarten, bis die Reihe an ihr war. Am liebsten wäre sie aufgesprungen und auf ihn zugelaufen, doch dann wäre ihre Lügengeschichte sofort
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