Der Tag der Traeume
grundsätzliche Regeln aufstellen müssen, aber wenn du mir versprichst, so etwas nie wieder zu tun, verschieben wir das Gespräch auf später, damit du endlich ins Bett kommst.«
»Ich krieg keinen Hausarrest oder so was?«, erkundigte sich Hannah misstrauisch.
»Diesmal noch nicht.«
Rick sah Kendall an, welche Mühe es sie kostete, streng zu bleiben und ihrer Schwester trotzdem zu zeigen, wie viel sie ihr bedeutete.
»Du schickst mich nicht weg?« Hannah biss sich auf die Lippe. Jetzt wirkte sie wie ein verlorenes Kind, nicht mehr wie ein aufsässiger Teenager.
Und wieder gewann Rick den Eindruck, dass genau hier Hannahs tiefste Ängste wurzelten. Kendall schien das ebenfalls gespürt zu haben, denn ihre Brauen zogen sich zusammen, und ihre Kiefermuskeln spannten sich an. »Ich bleibe den Sommer über hier, und du auch«, versprach sie.
Rick krümmte sich innerlich. Zu einem größeren Zugeständnis war Kendall im Augenblick nicht bereit, aber ihr Vorschlag stellte Hannah ebenso wenig zufrieden wie ihn selbst, denn sie machte auf dem Absatz kehrt und rannte in ihr Zimmer. Kurz darauf wurde die Tür zugeknallt. Kendall zuckte zusammen, dann sah sie Rick hilflos an. »Danke, dass du sie nach Hause gebracht hast.«
Zum Teufel mit allen guten Vorsätzen. Er breitete die Arme aus, und sie schmiegte sich Trost suchend an ihn.
»Ich fürchte, als Elternersatz bin ich vollkommen ungeeignet«, gestand sie mit bebenden Schultern kläglich.
Es war auch nicht ihre Aufgabe, diese Rolle zu übernehmen, dafür waren ihr Vater und ihre Mutter zuständig. Aber wann ging es im Leben schon einmal gerecht zu? »Quäl dich doch nicht mit unbegründeten Vorwürfen rum. Ich glaube, Hannah hat im Moment zu niemandem wirklich Vertrauen.«
»Besonders zu mir nicht. Sie ist verstört und fühlt sich von allen im Stich gelassen, und das ist meine Schuld. Ich hätte mich mehr um sie kümmern müssen.«
Rick strich ihr mit der Hand über das Haar. »Dann musst du dir ihr Vertrauen eben verdienen.«
»Wie denn?«
Indem du sie zu dir nimmst und ihr ein Zuhause bietest, dachte Rick. Indem du dich endlich irgendwo niederlässt und ihr die Geborgenheit gibst, die ihr beide nie gekannt habt. Aber dies war nicht der geeignete Zeitpunkt, Kendall klar zu machen, was sie seiner Meinung nach zu tun hatte. Zu diesem Schluss musste sie ganz alleine kommen.
»Sei einfach für sie da.« Das war der beste Rat, den er ihr geben konnte.
Kendall legte den Kopf schief. »Und du bist dann für mich da?« Doch dann runzelte sie die Stirn. »Vergiss es. Ich habe kein Recht, so etwas zu fragen.«
Rick legte eine Hand unter ihr Kinn und hob es an. »Ach was. Wenigstens gibst du endlich zu, dass du mich brauchst.« Und er hatte nun einmal eine Schwäche für hilfsbedürftige Frauen. Rick hatte immer gedacht, er hätte aus seinen früheren Fehlern gelernt, aber scheinbar noch nicht genug, sonst hätte er jetzt schleunigst die Flucht ergriffen. Aber Kendall bedeutete ihm zu viel, als dass er sie jetzt im Stich lassen konnte. »Was würdest du wohl von mir denken, wenn ich deine Bitte abschlagen würde?«
»Dass du ein weiser Mann bist.« Sie grinste.
»Schmeichelei zieht bei mir nicht.« Rick musste lachen, sie fiel ein, und die Eisschicht, die er um sein Herz gelegt hatte, begann zu schmelzen. Etwas Selbstschutz war angesagt. »Mir ist da eine Idee gekommen. Es gibt einen Weg, Hannah zu helfen, ohne dass wir unsere Abmachung brechen müssen.« Wieder zog er sich auf eine emotionslose, geschäftliche Ebene zurück, obwohl er sich im Moment ganz und gar nicht wie ein unbeteiligter Außenstehender fühlte.
Ihre Brauen zogen sich zusammen, als sie ihn forschend musterte. »Was genau schwebt dir vor?«
»Dass wir unsere kleine Komödie fortsetzen und so tun, als wären wir eine große, glückliche Familie – du, ich und Hannah. Das verstärkt den allgemeinen Eindruck, dass ich endgültig in festen Händen bin.« Was ich auch gerne wäre, dachte Rick. Aber nur in denen von Kendall. »Und gleichzeitig geben wir Hannah das, was sie jetzt am dringendsten braucht – eine Art Familie; Menschen, auf die sie sich verlassen kann und die für sie da sind. Ich bin sicher, dann lösen sich eure Probleme von ganz alleine.«
Kendall nickte. Ein Hoffnungsschimmer leuchtete in ihren Augen auf. »Dein Vorschlag klingt gut.«
»Finde ich auch.« Er strich ihr mit der Fingerspitze über die Wange.
Wie konnte sie nur so blind sein? Rick hoffte inbrünstig, Kendall
Weitere Kostenlose Bücher