Der Tag der Traeume
aufgespürt und in Panik geriet. Zwar betrachtete sie Rick wohl kaum als Freund oder Verbündeten, aber zumindest wusste sie, dass ihr von ihm keine Gefahr drohte.
»Was wollen Sie?«
Er richtete den Lichtstrahl auf die Lücke zwischen ihnen. »Das dürfte doch wohl auf der Hand liegen. Ich möchte dich nach Hause bringen.«
»Wieso gerade Sie?« Sie schaukelte unbeeindruckt weiter; stieß sich mit den Beinen so kraftvoll ab wie ein junges, unbekümmertes Mädchen.
Doch Rick ahnte, dass sie sich schon lange Zeit nicht mehr jung oder unbekümmert gefühlt hatte. »Weil ich ein Freund der Familie bin und deine Schwester sich Sorgen um dich macht. So große Sorgen, dass sie mich angerufen hat.«
Hannah schnaubte verächtlich und bremste ihren Schwung mit beiden Füßen, sodass ein paar Erdklümpchen aufspritzten. »Sie hatte wohl eher Angst, ich könnte ihr Auto zu Schrott fahren.«
»Über das Auto hat sie kein Wort verloren, Hannah. Sie hätte es auch als gestohlen melden können, dann wäre ich gezwungen gewesen, dich mit auf die Wache zu nehmen.« Und wenn er bedachte, dass sie minderjährig war und keine gültige Fahrerlaubnis besaß, war das vielleicht gar keine so schlechte Idee.
»Aber sie hat die Cops gerufen.«
Rick schüttelte den Kopf. »Sie hat mich gerufen.« Er betonte den Unterschied mit voller Absicht. »Weil sie mir vertraut. Und das solltest du auch tun.« Er klemmte sich auf die Schaukel neben ihr.
Hannah drehte sich zu ihm um und kniff die Augen zusammen. »Ich bin erst vierzehn. Wollen Sie mich nicht einbuchten, weil ich ohne Führerschein gefahren bin?«, fragte sie.
Ihre Stimme klang trotzig und herausfordernd, doch Rick hörte auch einen deutlichen Unterton von Angst heraus; eine Angst, die er nur zu gut verstand. Am liebsten hätte er sie in die Arme genommen und ihr versichert, alles würde wieder gut werden, aber das war nicht seine Sache, sondern die ihrer Schwester.
Stattdessen wollte er lieber versuchen, ihr Vertrauen zu gewinnen. »Ich könnte dich festnehmen, aber ich werde es nicht tun.«
»Warum nicht? Weil Sie es mit meiner Schwester treiben?«
Dabei rümpfte sie so angeekelt die Nase, dass er ein Lachen unterdrücken musste. »Nein, sondern weil ich denke, Kendall hat ein Recht darauf, erst einmal mit dir zu reden.«
»Dann …«
»Treiben wir es gar nicht miteinander?«, beendete er ihre unausgesprochene Frage. »Findest du nicht, dass das nur deine Schwester und mich etwas angeht?«
»Das heißt dann wohl ja.« Hannah schnüffelte und rieb sich die Augen. »Was soll’s, mir kann’s ja egal sein. Sie haben gesagt, Kendall hätte ein Recht darauf, mit mir zu reden? Was ist denn mit meinen Rechten? Sie wird mich bei der erstbesten Gelegenheit in ein anderes Internat abschieben!«
Bei dieser Bemerkung zog sich sein Herz zusammen – nicht nur, weil sie vermutlich Recht hatte und genau das in Kendalls Absicht lag, sondern auch, weil sich das Mädchen ganz offensichtlich verzweifelt nach Zuwendung und Aufmerksamkeit sehnte. Was sie brauchte, konnten weder er noch ein Internat voller fremder Menschen ihr geben.
Eine Ironie des Schicksals, denn Kendall hatte genau die gleichen Bedürfnisse, und nur sie, die Ältere, konnte das, was in ihrer beider Leben schief gelaufen war, wieder in Ordnung bringen. Wenn sie das doch nur begreifen und ihr Vagabundendasein endlich aufgeben würde! Um ihrer selbst und um Hannahs willen hoffte Rick, dass sie letztendlich doch noch zur Vernunft Besinnung kam. Und um seiner selbst willen, aber das mochte er sich nicht eingestehen.
Wie es aussah, hielt Kendall das Schicksal dreier Menschen in den Händen. »Hat sie denn gesagt, sie würde ein neues Internat für dich suchen?«, fragte er behutsam.
Hannah schüttelte den Kopf. »Nein, sie meinte nur, ich müsste nicht mehr nach Vermont zurück, sonst nichts.«
»Weil sie sich so schlecht durch eine geschlossene Tür mit dir unterhalten konnte?«, bemerkte Rick trocken.
»Vermutlich.« Hannah musste zum ersten Mal lächeln, und in diesem Moment sah Rick die Ansätze der Schönheit, zu der sie eines Tages erblühen würde – genau wie ihre Schwester.
»Aber sie will mich nicht bei sich haben«, stellte Hannah dann fest.
»Wie kommst du denn darauf?«
Hannah presste die Lippen zusammen. Ihr Lächeln war verflogen.
»Nun?«
Sie blinzelte ihn durch feuchte Wimpern und schwere Ponyfransen hindurch an. »Ich weiß es eben, und Sie auch.«
»Das ist nicht wahr, Hannah.« So viel zumindest
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