Der Tag der Traeume
und Beth.
Kendall trat aus Charlotte’s Attic in die helle Nachmittagssonne hinaus und stellte fest, dass es noch ein bisschen Zeit totzuschlagen galt, ehe sie sich mit Rick und dem Teenager aus der Hölle, wie sie ihre Schwester insgeheim nannte, treffen sollte.
Mit etwas Glück hatte ein Nachmittag unter Gleichaltrigen Hannahs Laune verbessert, und man konnte vernünftig mit ihr reden. Obwohl Kendall immer noch keine Ahnung hatte, was sie tun sollte, um die Abwehr ihrer Schwester abzubauen, freute sie sich darauf, sie zu sehen und hoffte, auf der Heimfahrt würde sich vielleicht von selbst ein Gespräch entwickeln. Mit ihrem Köfferchen in der Hand ging sie auf ihr Auto zu, das sie ein Stück weiter unten am Straßenrand geparkt hatte.
»Hallo, meine Schöne, was hältst du denn von einem Nachmittag im Liebesnest?«, ertönte Ricks vertraute Stimme hinter ihr.
Sie drehte sich um und sah ihn mit der Schulter an der Hauswand lehnen. »Was machst du denn hier?«
»Mehr als fünf Stunden mit zwanzig Teenagern kann ich an einem Stück nicht verkraften. Ich bin offiziell vom Dienst befreit. Und wegen Hannah brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Ich habe sie meinem Freund und Kollegen Jonesy anvertraut, der liefert sie so gegen fünf bei Norman’s ab. Alles bestens geregelt.«
»Sie ist sicher begeistert, endlich einen persönlichen Leibwächter zu haben.«
Rick zuckte die Achseln. »Ich fürchte, sie war zu beschäftigt, um Notiz von ihrer uniformierten Eskorte zu nehmen.« Er kicherte leise. »Willst du jetzt hier stehen bleiben und reden oder herkommen und mich aus meiner Not erlösen?«
Sie zögerte nicht, sondern lief auf ihn zu. Er packte sie um die Taille und zog sie in die kleine Straße hinter der Geschäftszeile, in der sein Apartment lag. Und dann nahm sie nichts mehr um sich herum wahr, denn sie lag in seinen Armen, und sein Mund presste sich heiß und fordernd auf den ihren.
Erst jetzt, wo sie seine Stimme hörte, den herben Duft seines Eau de Cologne wahrnahm und den Druck seiner Lippen spürte, erkannte sie, wie sehr sie ihn vermisst hatte. Er stöhnte leise, während er sie mit seinem harten Körper gegen die Wand drückte, und sie protestierte nicht, weil er sich so gut anfühlte.
Endlich löste er sich von ihr und sah sie an. Heißes Verlangen loderte in seinen Augen. »Es ist verdammt lange her.«
»Ich weiß.« Ihr Atem kam in abgehackten Stößen; sie brachte die Worte nur mühsam über die Lippen.
»Dann lass uns nach oben gehen.«
Sein verführerisches, nur für sie allein bestimmtes Grinsen löste in ihrem Inneren eine Reihe von Emotionen aus, die sie nicht einordnen konnte; nicht nach dem überwältigenden Zusammengehörigkeitsgefühl, das sie gerade in Gegenwart seiner Schwägerin und deren Freundin empfunden hatte. Mit schlichter körperlicher Anziehungskraft hätte sie besser umzugehen gewusst.
Aber mit Rick war nichts einfach und unkompliziert. In ihm vereinten sich Zärtlichkeit, Einfühlungsvermögen und erotische Ausstrahlung zu einer unwiderstehlichen, nichtsdestotrotz gefährlichen Mischung. Gefährlich für ihren Seelenfrieden, ihre ungebundene Lebensweise und ihr Herz.
Aber all das zählte im Moment nicht. Er hatte ihr gefehlt, sie brauchte ihn, und ihnen blieb nur wenig Zeit, ehe die Realität in Gestalt eines rebellischen Teenagers wieder über sie hereinbrach.
»Worauf wartest du noch?«, neckte sie ihn. »Bring mich nach oben und liebe mich.«
Neuntes Kapitel
Nach einem Tag unter Jugendlichen hatte Rick das dringende Bedürfnis nach der Gesellschaft eines Erwachsenen verspürt. Nach Kendalls Gesellschaft, um genau zu sein. Nach den Stunden in der prallen Sonne fühlte er sich erhitzt und verschwitzt, und nach zwei Tagen Dienst, während derer er Kendall kaum zu Gesicht bekommen hatte, drohte ihn das Verlangen nach ihr zu überwältigen. So viel zum Thema Selbstschutz, dachte er sarkastisch.
Kendalls Hand fest in der seinen haltend betrat Rick sein Apartment und schloss die Tür hinter sich.
»Jetzt weiß ich die Zeiten erst zu schätzen, wo wir unbegrenzt Zeit füreinander hatten. So müssen sich Eltern ständig fühlen«, stellte Kendall fest, dann riss sie erschrocken die Augen auf, als sie erkannte, in welche Richtung ihre Worte zielten.
»Aber dafür ist dein Leben jetzt entschieden aufregender geworden.«
Kendall entspannte sich ein wenig. Er hielt sich an das ungeschriebene Gesetz zwischen ihnen, ihre Beziehung locker und oberflächlich zu halten. Nur
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