Der Tag der Traeume
Herz, hören zu müssen, dass Rick überhaupt etwas für seine Exfrau empfunden hatte. Aber das gedachte sie den beiden anderen Frauen wohlweislich zu verschweigen. »Ihr braucht auf meine Gefühle keine Rücksicht zu nehmen. Rick und ich haben eine Abmachung …« Die Worte hinterließen einen bitteren Nachgeschmack in ihrem Mund.
Sie war es Rick schuldig, das Spiel bis zum Ende durchzuhalten, und nun hatte sie doch tatsächlich trotz aller gegenteiligen Beteuerungen begonnen, ihm gegenüber Besitzansprüche zu entwickeln. Oh-oh.
Zu ihrer Überraschung brach Charlotte in schallendes Gelächter aus.
»Was ist denn so komisch?«, erkundigte sich Kendall.
»Dein Gesichtsausdruck und die Vehemenz, mit der du darauf bestehst, das mit dir und Rick wäre nichts Ernstes. Aber wie du meinst. Reden wir übers Geschäft.«
»In Ordnung.« Erleichtert, dass sich das Gespräch nicht länger um Rick drehte, griff Kendall nach ihrem Musterkoffer, stellte ihn auf den Tisch und klappte ihn auf. »Das ist meine Schmuckkollektion aus Silberdraht. Aus Erfahrung weiß ich, dass sie Frauen unterschiedlicher Altersgruppen anspricht. Wie alt sind denn deine jüngsten Kundinnen im Durchschnitt?«
»Anfang Zwanzig«, erwiderte Beth. »Manche Mütter bringen auch ihre halbwüchsigen Töchter mit zu uns, aber die meisten gehen mit ihnen in den K-mart oder ins Einkaufszentrum in Albany.«
»Willst du das ändern?«, fragte Kendall. »Während meiner Zeit in New York hatte ich nicht die notwendigen Beziehungen, um meine Arbeiten in den Trendboutiquen unterzubringen, aber ich habe die Colleges besucht und da ganz gut verkauft. Den Studenten gefielen besonders die Sets. Schaut mal.«
Sie deutete auf ein Tablett mit dünnen, engen Halsbändern aus Glasperlen aus Westafrika und dazu passenden langen Ohrringen. »Die hier waren ein echter Hit.«
»Mal was ganz anderes«, murmelte Beth anerkennend.
»Was ist das denn?« Charlotte wies auf einen schwarzen Seidenstrang, der unter dem Tablett hervorlugte.
Kendall zog das Band heraus. »Etwas Neues, was ich ausprobiert habe. Halsbänder aus geknotetem Seidengarn.«
»Das gefällt mir.« Charlotte inspizierte die Stücke bewundernd. »Die Kids werden sich darum reißen.« Sie schnippte mit den Fingern. »Und ich weiß auch schon, wo wir sie zum ersten Mal anbieten. Dieses Wochenende findet hier ein Straßenverkauf statt. Ich werde Chase fragen, ob wir die Anzeige, die wir in die Gazette gesetzt haben, noch abändern können. Eine kurze Beschreibung deines Schmucks mit reinnehmen. Hast du einen Namen für dein Geschäft?«
»Kendall’s Krafts.«
Charlotte grinste. »Ich liebe Stabreime. Und ich wittere da gute Profite für uns.«
Ihre Begeisterung wirkte ansteckend. »Du weißt ja, ich bin im Moment etwas knapp bei Kasse, aber ich beteilige mich natürlich an den Kosten für die Anzeige.« Eigentlich konnte sich Kendall dieses Angebot gar nicht leisten, aber sie betrachtete es als Investition für ihre Zukunft.
Charlotte winkte lässig ab. »Unsinn. Chase lässt es sich zwar nicht anmerken, aber wenn es um die Familie geht, hat er das weichste Herz der Welt. Und ich weiß, dass du sowohl in seinen als auch in Rainas Augen zur Familie gehörst. Wegen Crystal«, fügte sie hastig hinzu, doch ihr Grinsen verriet Kendall, dass sie in erster Linie an Rick dachte. »Aber behalt das für dich. Es gehört zu den kleinen Vergünstigungen, die wir Chandlers so kriegen.«
Wir Chandlers. Kendall bekam eine Gänsehaut, als sie so selbstverständlich in die Familie mit einbezogen wurde.
»Okay, kommen wir zur Kommission«, fuhr Charlotte fort, der der Gefühlsaufruhr entgangen war, den ihre Worte in Kendall ausgelöst hatten.
Kendall dachte kurz nach. Wenn es darum ging, den Prozentsatz für die Kommission festzusetzen, berechnete sie immer erst ihre Materialkosten, den Zeitaufwand sowie die Preise der Konkurrenz. Hier in dieser Kleinstadt schien sie die Einzige zu sein, die diese Art von Schmuck herstellte – ein großer Vorteil für sie und Charlotte.
Sie griff nach einem Zettel, um einen Preis aufzuschreiben, den Charlotte mit ziemlicher Sicherheit herunterzuhandeln versuchen würde, womit sie aber trotzdem noch leben konnte. Doch stattdessen kritzelte Charlotte als Erste eine Zahl darauf und schob Kendall den Zettel hin.
Kendall warf einen Blick darauf. Die Summe, die Charlotte ihr anbot, war höher als die, die sie selbst veranschlagt hatte. Sie zog die Nase kraus und überlegte, ob sie
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