Der Tag der Traeume
auf ihn zu und küsste ihn auf die Wange.
Da er wusste, wie schädlich jede Art von Stress für ihr Herz war und dass sie sich nur ihm zuliebe so viel Mühe gemacht hatte, rang er sich ein Lächeln ab. Er würde sie sich später vorknöpfen, wenn sie allein waren.
»Das wäre doch wirklich nicht nötig gewesen«, knirschte er mit zusammengebissenen Zähnen.
»Unsinn. Mein mittlerer Sohn wird ja nicht jeden Tag fünfunddreißig.«
»Fangt mit der Show an!«, brüllte Norman im Hintergrund.
Applaus setzte ein, dann folgte ein stetiger Sprechgesang. »Show, Show, Show …«
»Was für eine Show?«, übertönte Rick den Lärm misstrauisch.
Er blickte sich um und sah Roman, Charlotte und Chase an der hinteren Wand stehen. Alle drei zuckten gleichzeitig die Achseln. Offenbar wollten sie andeuten, dass sie mit Rainas verrücktem Einfall nichts zu tun hatten.
»Ich tappe genauso im Dunkeln«, flüsterte Kendall. Wie seine Brüder schien sie keinerlei Verantwortung für diesen Wahnsinn zu tragen, sie war nur insoweit die Komplizin seiner Mutter, als dass sie ihn hergebracht hatte.
Ein lautes Pfeifen unterbrach den Sprechchor einen Moment lang, dann setzte er wieder ein.
»Okay, das reicht jetzt.« Raina gebot mit erhobenen Händen Ruhe.
Rick warf ihr einen besorgten Blick zu, woraufhin sie sich rasch auf den nächstbesten Stuhl sinken ließ.
Augenblicklich trat Stille ein.
»Wie ihr alle wisst, muss ich mich leider sehr schonen«, erklärte Raina dann. »Deswegen habe ich auch eine Art Conférencier engagiert.« Sie winkte Rick zu sich, und er beugte sich zu ihr hinunter. »Ich wollte eigentlich deine Brüder für diesen Job gewinnen, aber sie haben sich geweigert.«
»Dafür bin ich ihnen was schuldig«, murmelte Rick düster.
»Gut, dann wollen wir anfangen.« Raina klatschte in die Hände.
»Und dann können wir endlich essen!«, erklang es aus den hinteren Reihen der Menge.
Rick kniff die Augen zusammen, als er die Stimme erkannte, und blickte sich suchend um. »Samson, bist du das?«
Er konnte den alten Mann nirgendwo entdecken, wusste aber, dass dieser es meisterhaft verstand, mit einer Menschenmenge zu verschmelzen. Der Entenmann, wie die Kinder Samson Humphrey riefen, verbrachte seine Tage in dem Park neben Norman’s, schenkte den meisten Menschen keine Beachtung und wirkte wie ein Obdachloser, der er aber nicht wahr. Außerdem war er für die Wäschediebstähle vor einiger Zeit verantwortlich, die in der ganzen Stadt für Aufruhr gesorgt hatten, was aber nur Rick, Charlotte und Roman wussten. Normalerweise mied der alte Mann größere Menschenansammlungen. Es sei denn …
»Natürlich ist er es. Er lässt sich doch nicht die Gelegenheit entgehen, umsonst an eines meiner Hähnchensandwiches zu kommen«, röhrte Norman.
»Stimmt!«, brüllte Samson zurück und bestätigte so Ricks Vermutung. »Aber wenn du wieder diesen scheußlichen süßen Senf draufgetan hast, kannst du die Dinger selber fressen.«
Norman stieß einen knurrenden Laut aus. »Hör mal, du undankbare kleine Ratte …«
Ehe Rick eingreifen konnte klatschte Raina erneut in die Hände, vermutlich, um eine handgreifliche Auseinandersetzung zu vermeiden. Daraufhin schritt ein ganzer Trupp bekannter Gesichter gemessen die Treppe hinunter.
»Das ist dein Leben, Rick Chandler!«, donnerte Big Al, der pensionierte Footballcoach der Highschool, in sein Mikrofon. Es schien ihn nicht zu stören, dass er sich nicht auf dem Fußballfeld befand.
Rick verfolgte ungläubig, wie seine Vergangenheit wieder vor ihm auferstand. Eine sorgsam zusammengestellte Gruppe, bestehend aus einigen seiner alten Lehrer, Trainer und Freunde, bildete im Wohnzimmer seiner Mutter einen Kreis.
Sein Magen krampfte sich zusammen. »Das kann doch nicht wahr sein!«
»O doch.« Seine Mutter strahlte vor Freude, was sein Unbehagen noch verstärkte.
Kendall hielt sich an seiner Seite, die kichernde Hannah hinter ihm, als er durch die Menge geschoben wurde. Endlich wies man ihm einen Stuhl in der vordersten Reihe zu. Seine Mutter, seine Brüder, Charlotte, Kendall und Hannah nahmen rund um ihn herum Platz, die restlichen Gäste bauten sich hinter ihnen auf.
»Der Spaß kann beginnen!«
Rick zuckte zusammen. Big Als dröhnende Stimme tat ihm in den Ohren weh.
»Mrs. Pearson von der Yorkshire Falls Middle School, die kürzlich in den Ruhestand versetzt wurde, hatte Rick in ihrer Vorschulklasse. Bitte, Mrs. Pearson.« Al reichte das Mikrofon an die zierliche,
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