Der Tag Des Falken
Fontaine gesehen hatte, ging sie zur rechten Tür der V-22C zurück, wo Hardcastle seinem Sohn beim Aussteigen half. Die beiden starrten schweigend ein großes Loch in der Rückenpolsterung des Sitzes an, auf dem Daniel zuvor gesessen hatte. Es stammte von der ins Cockpit gelangten Kugel, die nur eine Handbreit über Daniels Kopf eingeschlagen war. Die Kugel, die Fontaine beinahe den Tod gebracht hatte, wäre um ein Haar auch für Daniel Hardcastle tödlich gewesen.
Daniel war kreidebleich. Er starrte noch immer das gezackte Loch in der Sitzpolsterung an. Auch Hardcastle war sichtlich mitgenommen: Sein Haar war schweißnaß, und die Fliegerkombi klebte an seinem Körper. Trotz Schwimmweste, Windjacke und kugelsicherer Weste schien Daniel völlig ausgekühlt zu sein. »Am besten fahre ich euch und die übrige Besatzung zur Untersuchung nach Key Biscayne ins Krankenhaus«, schlug Geffar vor.
Hardcastle nickte wortlos. Dann fiel ihm ein, daß die beiden sich noch gar nicht kannten. Eine verdammt schlechte Gelegenheit zum Kennenlernen, dachte er, während er Daniel einen Arm um die Schultern legte und ihn zu dem für die Fahrt ins Krankenhaus bereitstehenden Kleinbus führte.
Geffar ließ die beiden vorausgehen, nahm die Taschenlampe aus ihrer Halterung hinter der offenen Frachtraumtür und inspizierte den rechten Flügel der Sea Lion. Die von der Druckwelle hervorgerufenen Schäden waren schwer - Hardcastle hatte viel riskiert, als er von Boca Raton über Wasser bis nach Alladin City geflogen war. Der durch diesen Flügel verlaufende Antriebsstrang war intakt, aber erkennbar beschädigt und hätte jederzeit versagen können, was eine Wasserung bei Nacht erzwungen hätte.
Also eine sehr riskante Entscheidung Hardcastles, vor allem mit einem Passagier— immerhin sein Sohn! — und scharfe n Waffen an Bord...
Im Key Biscayne Community Hospital untersuchte ein Ärzteteam die Besatzungsmitglieder und stellte fest, daß alle dienstfähig waren -
natürlich bis auf Fontaine, der außer seiner Gehirnerschütterung einen traumatischen Schock erlitten hatte und mehrere Tage im Krankenhaus würde bleiben müssen.
Nach der Untersuchung brachte Geffar die Männer ins Hauptquartier zurück, wo sie von Brad Elliott und Patrick McLanahan erwartet wurden. Der Kommandeur der Hammerheads ließ sie telefonieren, bes tellte ihnen heißes Essen aus einem Restaurant in der Nähe und verteilte sie dann mit dem Auftrag, den Einsatz der V-22C aus ihrer Sicht zu schildern, auf einzelne Büros. Auch Daniel wurde aufgefordert, seine Eindrücke zu Papier zu bringen.
Während die anderen beschäftigt waren, nahm Elliott Geffar und Hardcastle in sein Dienstzimmer mit. »Ist das nicht ein ungewöhnliches Verfahren, Brad?« fragte der Admiral, sobald die Tür sich hinter ihnen geschlossen hatte. »Im allgemeinen werden solche Berichte von der ganzen Besatzung verfaßt. Ist das der Auftakt zu einer Inquisition?«
»Wohl kaum, aber das Routineverfahren reicht diesmal nicht aus.
Heute haben wir zum ersten Mal ein Boot beschossen. Da wir kein klares taktisches Bild von dem Vorfall haben, brauche ich Einzelaussagen der Besatzungsmitglieder. Später wird die Besatzung gemeinsam befragt.« Hardcastle nickte widerwillig. »Warum sind Sie heute abend gestartet, lan?« fragte der General weiter. »Sie hatten dienstfrei und waren in Zivil — und Sie hatten Ihren,Sohn bei sich. Nicht gerade voll einsatzbereit, finde ich.«
»Daniel und ich sind im Hangar gewesen. Ich habe ihm die Sea Lion gezeigt. Als die Besatzung alarmiert worden ist, habe ich gehört, daß Sandra keine Maschine starten lassen wollte, um den Cigarette Racer abzufangen...«
»Richtig«, bestätigte Geffar. »Er ist in Freeport vom Zoll abge-
fertigt worden. Wir haben ihn über CARIBAL verfolgt, ohne ein Treffen mit anderen Fahrzeugen zu beobachten. Da wir keine Möglichkeit hatten, ihn vor der Küste abzufangen, habe ich den Fall dem Customs Service überlassen.«
»Aber wie kommt das Sturmgewehr an Bord, wenn er in Free-port kontrolliert worden ist?« fragte Elliott.
Geffar zuckte mit den Schultern. »Vielleicht hat er's nach der Kontrolle an Bord geschmuggelt. Entscheidend ist, daß wir gewußt haben, daß dieses Boot keine größere Ladung Schmuggelware transportiert...«
»Aber warum sollten wir darauf verzichten, ihn abfangen zu lassen?« fragte Elliott weiter. »Unser Auftrag ist die Grenzsicherung; wir dürfen nicht eigenmächtig entscheiden, wen wir durchlassen wollen
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