Der Tag Des Falken
wurde die Kokapaste mit Äther und Azeton versetzt und dann getrocknet, wobei ein feines weißes Pulver - das Kokain - entstand.
Eine Tonne Kokapaste ergab hundert Kilogramm Kokain, und die Monatsproduktion dieses wichtigsten Betriebs des Medelli-ner Drogenkartells lag bei über zweitausend Kilogramm.
Je nach Wunsch des Kunden, dem vorherrschenden Markt preis und den Liefermöglichkeiten wurde das Endprodukt in verschiedenen Reinheitsstufen hergestellt - von fast chemisch reinem Kokain bis zu Kokainmischungen, die weniger als zehn Prozent Reinsubstanz enthielten. Das Kokain wurde in luftdichte Kilobeutel abgepackt, die sich leicht verstecken und transportieren ließen, und war dann versandfertig.
Die Sicherheitsvorkehrungen in Valdivia waren außergewöhnlich scharf. Die Söldner des Kartells waren besser ausgebildet und bewaffnet als die kolumbianische Armee. Hubschrauber mit Infrarot-Scannern überwachten das zwanzigtausend Hektar große Gelände, damit keine Guerillakämpfer in den Außenbereich einsickern oder gar bis zur Fabrik vordringen konnten. Der Sicherheitsdienst hatte Zugang zu den Unterlagen des kolumbianischen Zolls, um einreisende Verdächtige vor allem aus den USA - schon im Vorfeld abfangen zu können. Trotz gelegentlicher demonstrativer Razzien hatten die Kartellbarone von der kolumbianischen Armee wenig zu befürchten, weil die meisten hohen Militärs und Beamten im Sold des Kartells standen.
Die gut getarnte, über dreitausend Meter lange Start- und Landebahn des Flugplatzes Valdivia war selbst für große Düsenmaschinen geeignet, obwohl meistens kleine Flugzeuge verwendet wurden, um die Drogen zu anderen Verteilerstellen in Kolumbien, Venezuela, Peru, Ekuador, Panama, Nikaragua und Brasilien zu transportieren, von denen aus dann der größte Kunde des Kartells beliefert wurde: die Vereinigten Staaten.
Das Problem, wie sich das Endprodukt Kokain aus lasch kontrollierten Gebieten ins (trotz aller Schwächen) besser bewachte Nordamerika transportieren ließ, beschäftigte Gonzales Rodri-guez Gachez, den inoffiziellen Boß des Medelliner Drogenkartells, an diesem Morgen in seinem Büro im Verwaltungsgebäude des Komplexes in Valdivia. Äußerlich war ihm davon nichts anzumerken, denn Gonzales Gachez, der sich niemals mit Kokain, sondern an schnellen Motorrädern berauschte, hatte die Füße auf den Schreibtisch gelegt und blätterte im Betriebshandbuch seines neuesten Spielzeugs, einer italienischen Ducati Paso.
Bevor der Drogenschmuggel Riesengewinne abzuwerfen begann, hatte sein Vater die Geschäfte in einer Bruchbude abgewickelt und den Charakter seiner Männer - und den seiner Kinder, wie Gachez später erfuhr - danach beurteilt, wie sie auf Hahnenkämpfe reagierten. Er konnte beobachten, wer die Nerven für Blut, Gewalt und Tod hatte, wer dieses blutige Schauspiel nur ertrug und wer es genoß. Zugleich erfuhr er, wie seine Männer mit Alkohol, Spielkarten und Frauen umgingen.
Gachez hatten die Hahnenkämpfe nie gefallen. Er hatte zugesehen, weil sein Vater es wünschte, aber ihm war es immer gelungen, sich hinter der massiven Gestalt seines Vaters zu verstecken, wenn die Federn zu fliegen begannen. Glücklicherweise hatte man von ihm als dem jüngsten von drei Brüdern noch nicht die Kaltblütigkeit der Älteren erwartet.
Aber Gachez hatte aufmerksam registriert, was sich in der Umgebung seines Vaters außer Hahnenkämpfen und Wetten noch abspielte Geschäfte. Alle möglichen Geschäfte vom Heueinkauf für die Wintermonate über einen Ehevertrag für eine Achtzehnjährige bis zur Ermordung eines brasilianis chen Cowboys, der gestohlenes Vieh verkaufen wollte. Der junge Gachez beobachtete, wie Männer sich die Hände schüttelten, einander auf die Schulter klopften und ein Glas Tequila kippten. Irgendwo in diesem lärmenden Trubel war ein Geschäft abgeschlossen worden. Und der junge Gachez war fasziniert. Zugleich lernte er den Wert von Freundschaften, Loyalität und Allianzen kennen. Er wußte, wer die Freunde und Feinde seines Vaters waren, obwohl die Unterscheidung nicht immer einfach war.
Als Herstellung und Verkauf von Kokain das große Geschäft wurden, stiegen Gachez' ältere Brüder sofort ein, ohne aber auf gute Beziehungen zu den anderen reichen Familien zu achten. Im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten, wo sich ein reicher Mann eine riesige Farm kaufen und ungestört auf ihr leben konnte, setzte Großgrundbesitz im kleinen Kolumbien die Bildung von Allianzen voraus, die
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