Der Tag Des Falken
Fürstentümern oder Kleinstaaten glichen. Kolumbianische Grundbesitzer sicherten ihre Macht und ihren Reichtum, indem sie sich gegen Rivalen zusammenschlössen. Das Wohlergehen einer Allianz war wichtig und mußte gefördert werden. Ihr Boß war im allgemeinen das reichste Mitglied, aber alle mußten profitieren, sonst zerbrach die Allianz.
Der gewaltige Reichtum, den Gonzales' ältere Brüder durch Drogenhandel anhäuften, stieg ihnen so zu Kopf, daß sie sich einbildeten, auf Allianzen verzichten zu können. Sie versuchten sogar, eine Privatarmee mit Söldnern aus Peru und Ekuador aufzubauen. Diese Söldner hielten dem die Treue, der am besten zahlte, und Gachez' ältere Brüder glichen bald mehr ihren Gefolgsleuten als traditionsverhafteten Kolumbianern. Sie schienen sich im Schutz der Messer und Pistolen dieser Fremden sicherer als in der Allianz zu fühlen, die jedoch weit stärker als jedes Söldnerheer war, das sie hätten aufstellen können.
Die daraus entstehenden Fehden kosteten Gonzales 1 Brüder das Leben, aber bevor die anderen Grundbesitzer die gesamte Familie ausrotten konnten, fiel Gachez ihnen in den Arm. Er hatte in Rio de Janeiro studiert, sprach drei Fremdsprachen und war in Europa und Amerika gewesen. Während er mit Waffengewalt bedroht wurde, überzeugte der junge, gutaussehende, redegewandte Gonzales Gachez die Allianz davon, daß es richtig war, seine Familie wieder aufzunehmen. Er flehte nicht, er bettelte nicht um sein Leben, er bot weder Geld noch Land noch irgend etwas sonst - außer Loyalität. Er hatte begriffen, daß diesen Männern Loyalität über alles ging.
Das war vor fünfzehn Jahren gewesen. Als Vierzigjähriger hatte Gonzales Gachez es seit diesem kritischen Augenblick zum Boß des Medelliner Drogenkartells gebracht, wie die US-Presse es mit Vorliebe nannte, um Erinnerungen an die Gangstersyndikate in Chicago der zwanziger Jahre wachzurufen. Gonzales und seine Kollegen sahen sich als kolumbianische Patrioten, Ge schäftsleute und Grundbesitzer. Sie waren Partner, die ein Produkt herstellten, sein Marktpotential kannten und es vertrieben. Die US-Amerikaner gaben jährlich eine halbe Milliarde Dollar für Drogen aus - da war es nur clever, dieses Bedürfnis zu befriedigen. Daß keiner dieser angeblichen Geschäftsleute davor zu-rückschreckte, Richter, Polizisten, Soldaten, Abgeordnete und Konkurrenten in aller Welt - auch in Kolumbien - ermorden zu lassen, um seine tödliche Ware vertreiben zu können, fiel sozusagen unter Betriebskosten.
Das Telefon auf seinem Schreibtisch summte. Ah, damit hatte sein Vater sich nie abgeben müssen! Besucher bekamen ein Glas Wein oder einen starken Kaffee angeboten und wurden gebeten, etwas zu warten wobei die Wartezeit genau proportional zu ihrer Stellung und ihrem Einfluß war. Auf solche Feinheiten achtete heutzutage kein Mensch mehr.
»Ich bin beschäftigt!« sagte er, ohne den Hörer des Lautsprechertelefons abnehmen zu müssen.
»Gespräch aus Verrantes, Senor Gachez«, informierte seine Sekretärin ihn.
»Stellen Sie's durch.« Gachez zündete sich eine schlanke Zigarre an.
Aus dem Lautsprecher drang ein Rauschen und Knak-ken, bis die Scrambler-Verbindung stand. Danach meldete sich eine leicht verzerrt klingende, aber gut verständliche Stimme, die Coronel Agusto Salazar, ehemals von der kubanischen Revolutionsluftwaffe, gehörte.
»Was wünschen Sie, Gachez?«
»Ich wünsche, daß eine Lieferung transportiert wird. Morgen nacht.
Die Koordinaten der Abwurfstelle werden rechtzeitig übermittelt.
Treffen Sie die nötigen Vorbereitungen.«
»Ausgeschlossen!« protestierte Salazar. Die Nervosität in seiner Stimme war unüberhörbar. »Ganz Südflorida ist von Einheiten der Coast Guard abgeriegelt, die...«
»Ihre Probleme interessieren mich nicht, Salazar. Treffen Sie die nötigen Vorbereitungen.«
»Das wäre äußerst gefährlich. Die Risiken... Sie könnten dabei die gesamte Lieferung verlieren. Haben Sie denn so viel, daß Sie's wegwerfen können, Senor?«
»Mit dem Produkt gibt's keine Probleme, Coronel.« Und das stimmte - trotz des vor kurzem von der U. S. Coast Guard abgeschossenen Flugzeugs der Cuchillos war die Produktion keineswegs verringert worden. Kam die Ware schließlich nicht trotz allem durch? In Südflorida hatten Gachez handverlesene Verteiler ein wahres Wunder bewirkt, als sie trotz des Überfalls durch den Customs Service über eine Tonne Kokain in weniger als zwei Stunden aus den Everglades
Weitere Kostenlose Bücher