Der Tag ist dein Freund, die Nacht dein Feind (German Edition)
Tieren trinken.
Er schien ihre Gedanken erahnt zu haben, denn als sie sich erheben wollte, um eine Ratte oder Ähnliches zu suchen, hielt er sie am Arm zurück, auch wenn es mehr ein Streifen ihrer Haut als ein Griff war.
‚Kein Tier, Emily…‘
„Was? Wie…“ Und dann endlich begriff sie. Die junge Frau verstand, was seine einzige Rettung war. Und es ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren.
‚Deine Entscheidung…‘ Seine Stimme in ihrem Kopf war nur noch ein schwaches Flüstern.
Sie wusste, dass er nur noch Minuten, vielleicht auch weniger hatte. Und doch war sie noch nicht bereit, ihm zu geben, was er wollte. Es war zu viel. Es war so unendlich mehr, als sie geben wollte. Es widerstrebte ihr so sehr, dass sich ihr Magen umdrehte und sie sich übergeben musste.
Die Gedanken überschlugen sich in ihrem Kopf , und Wellen der Panik fluteten durch ihren Körper, bis sie glaubte, keine Luft mehr zu bekommen . Er hatte gesagt, er könnte sie nicht mehr gehen lassen. Ihre Zukunft in New York , ihre Freiheit, war also sowieso Geschichte. Als sie damals in die Unterkunft gegangen war, war sie in ihr Verderben gerannt. Nur dass sie noch nicht ahnte, dass man dafür nicht sterben musste. Sie wusste, dass sie ihn einfach nur sterben lassen musste, um wieder frei zu sein, doch das wäre in ihren Augen einem Mord gleich gekommen und dazu war sie ni cht imstande. Davon abgesehen war es ihr Herz, das sie davon abhielt. Sie wusste plötzlich mit Sicherheit, dass sie ihn nicht sterben lassen wollte .
Und dann geschah es: I n einer Sekunde der totalen Hoffnungslosigkeit hörte Emily Watson auf zu denken und zu fühlen und beugte sich zu Roy, dem Mörder ihrer ganzen Familie hinunter, um ihm das Leben zu retten und ihres zu geben.
Sie schrie laut auf und versuchte instinktiv, sich von ihm abzustoßen , als der Vampir in einem letzten, verzweifelten Akt seine Zähne in ihre Halsbeuge schlug und zu saugen begann.
Die junge Frau verlor jegliches Zeitgefühl, als die Dunkelheit vor ihren Augen verschwamm. Sie sah wie in einem Traum, wie die Silberkugel aus Roys Bein austrat und auf den Boden fiel, als wäre es nur ein Spielzeug gewesen, und wie seine grünlich verfärbte Haut wieder den blassen Ton annahm, der einen gesunden Vampir auszeichnete. Sie spürte, wie seine starken Arme ihren Körper umschlossen, als sie schwer nach hinten sackte und nahm kaum die Berührung war, als Roy mit seiner Zunge ihre Wunden versiegelte, nachdem er sich satt getrunken hatte.
Zu müde, um Angst zu empfinden, lag sie danach in seinen Armen und wartete auf den Tod.
„Werde ich jetzt sterben?“
Roy nickte und wiegte sie in seinen Armen. Als sie träge hinauf in sein Gesicht schaute, bemerkte Emily zu ihrem großen Erstaunen, dass er weinte.
„Es tut mir so leid. Warum hast du das zugelassen, Emily? Ich weiß doch, dass du es nicht wolltest! “ Während er sie wiegte, wurde es noch dunkler um sie herum. Der Mond verschwand, ebenso die Sterne. Roys Stimme wurde leiser und Emily spürte plötzlich ihren Körper nicht mehr. Sie war hüllenlos, schwerelos. Etwas in ihr drängte aus ihrer sterblichen Hülle heraus, wurde aber unerbittlich darin fest gehalten.
Wie im Traum sah sie ein Licht, das immer heller wurde und eine strahlende Wärme verbreitete. Daraus drangen die Stimmen ihrer Eltern, die sie zu sich riefen. Sie wollte ihnen folgen, von einem Gefühl unbändiger Freude und Glückseligkeit gepackt, doch ihre Seele war nicht imstande, den Körper zu verlassen. Es war, als wäre ihr innerstes Selbst darin gefangen, unfähig, loszulassen und dem Licht entgegen zu schweben. Von Verzweiflung und Panik gepackt bäumte Emily sich auf und versuchte, das Licht, ihre Eltern zu erreichen, doch es blieb ihr verwehrt. Nach einer halben Unendlichkeit verschwand die Erscheinung langsam, und die Stimmen ihrer Eltern verebbten. Emily schrie ihnen hinterher, rief ihnen zu, auf sie zu warten, und versuchte immer verzweifelter, sich aus ihrem Körper zu lösen.
Und dann war es plötzlich vorbei. Schwärzeste Dunkelheit umfing sie, tödliche Stille. Alles, was sie noch hörte, war ihr eigenes Schluchzen, tief in ihr er Seele .
„Emily, hörst du mich?“ Von irgendwo her aus der Schwärze drang eine tiefe, klare Stimme an ihr Ohr. „Emily, du musst aufwachen. Öffne deine Augen und betrachte deine neue Welt.“
Neue Welt? Wo war das Licht? Was war passiert?
„Was…“
„ Ganz ruhig … nicht sprechen. Setz dich hin, dann wird es dir besser
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